Skip to main content
Wiesbaden e.V.

Pressespiegel Archiv

Verbindende Elemente und doch unverwechselbar
Kunstarche zeigt Werke von Brigitte Dirting, Annele Feller, Lilo Fischer-Fornoff und Helga Föhl

Wiesbadener Tagblatt 1.11.2019
Von Anja Baumgart-Pietsch

Wiesbaden. Vier Künstlerinnen, die in und um Wiesbaden leb(t)en, hat Kuratorin Roswitha Prüll für die neue Ausstellung in der Kunstarche und im großen Saal des Stadtarchivs ausgewählt: Bis 5.Januar ist eine große Zahl von Werken von Brigitte Dirting, Annele Feller, Lilo Fischer-Fornoff und Helga Föhl unter dem Titel "Raum - Reduktion - Zeichen" zu sehen. Reduktion auf das wesentliche. Das sind in der Tat verbindende Elemente der Kunst dieser Frauen, die sich sonst sehr unterschiedlich präsentieren. Doch das unverwechselbare Werk der Malerinnen und Bildhauerinnen ist reduziert auf die jeweils eigene Formensprache. Zur Vernissage stellte Kulturjournalistin Kathinka Fischer, Tochter der Malerin Lilo Fischer-Fornoff, die Protagonistinnen vor."Wir sehen spontane zeichnerisch gedachte Malerei, bewegte und doch strenge Kompositionen in klassisch modernen Duktus, schwarze, mit dem Bleistift auf Karton gebrachte Formen sowie eiserne Skulptur mit aufwendig bearbeiteter, beinahe keramisch anmutender Oberfläche - Verwechslung ausgeschlossen", fasste sie die einzelnen Positionen zusammen. Alle Künslerinnen verbindet eine abstrakte Darstellungsweise, die jedoch traditionelle Parameter wie Figur, Gegenstand und Landschaft reflektiert. Und alle Künstlerinnen beziehen die dritte Dimension in ihre Werke ein. Die Reduktion auf das Wesentliche bedeutet bei jeder der vier etwas anderes, zieht sich jedoch als Thema durch die große Schau, bei der Betrachtende Zeit braucht, um die verschiedene Bildsprache adäquat zu erfassen. Die 1950 am Niederrhein geborene Brigitte Dirting, Mitbegründerin der Wiesbadener Gruppe "Die Halle", hat zarte Zeichnungen in einer konsequent durchgehaltenen Farbwelt zwischen Grau- und Gelbtönen beigesteuert. Doch auch mit Formen spielende Collagen aus Metall und Holz sind dabei. Annele Feller (1921 - 2004 ) lebte zuletzt im Rheingau. Von ihr stammen die meisten Werke der Ausstellung, sie bekommt fast eine Retrospektive und die Entwicklung vom behutsam Gegenständlichen mit lichten Landschafts-Aquarellen bis zu abstrakten lichtdurchflutenden Farbfeldern lässt die Phase ihres Schaffens deutlich werden. Helga Föhls (Jahrgang 1935 ) eiserne Objekte, die sie auf dem Schrottplatz findet und aufwendig mit Lacken, Kunstharz und Werkzeugen bearbeitet, werden zu organischen Darstellungen, inspiriert von Torsi und Gebirgen. Lilo Fischer-Fornoffs (1938-2006) charakteristische schwarze Quaderform schließlich schwingen, purzeln und tanzen mit großer innerer Dynamik über das Papier, wirken mit ihren Schattierungen sehr dreidimensional, gleichzeitig extrem streng, graphisch und reduziert. Eines der Bilder ihrer Mutter schenkte Kathika Fischer zur Vernissage der Kunstarche, die noch keines in ihrem Bestand hatte.


Es lohnt sich hochzuschauen
Der Jugendstil in Wiesbaden - eine Spurensuche

Wiesbadener Kurier 8.6.2019
Von Brigitta Lamparth      
                                                             

Wiesbaden. Am 29. Juni ist es soweit: Wiesbaden wird zur Jugendstilstadt. Durch die Schenkung der umfassenden Sammlung von Ferdinand Wolfgang Nees kann das Landesmuseum eine ganz neue Abteilung eröffnen. Anlass für die Stadt, ein "Jugendstiljahr" auszurufen. Dazu flankieren fast 25 Institutionen die Präsentation im Museum mit eigenen Akzenten. Den Auftakt machen die Kunstarche und das Stadtarchiv, die beide im Rad 42 unter einem Dach zu finden sind - auch das macht den Besuch der beiden Ausstellungen lohnend. Wie viel Jugendstil gibt es denn überhaupt in der Wiesbadener Architektur? Im Auftrag des Stadtarchivs hat sich Kurator Martino la Torre an eine Bestandsaufnahme gemacht. Er wurde fündig: bei Portalen und Fenstern, Giebeln und Balkonen. Aber es gibt auch ein ganzes Haus was reinster Jugendstil ist: Das "Weiße Haus" in der Bingertstraße 10- Wohnsitz des Sammlers Nees, der daraus ein Gesamtkunstwerk von Innen und außen gemacht hat. Der Bauhistoriker La Torre fand insgesamt 93 Standorte in der Stadt, die der Wiesbadener Fotograf Michael Lebed aufgenommen hat. Präsentiert werden sie mit einem Design von Albert Ernst. Schrifttype ist beziehungsreich die "Behrens"- der Architekt, Maler und Designer Peter Behrens war einer der Vertreter des Jugenstils. So finden sich viele interessante Details: sanft vorkragende Erker, Balkone und Fensteranordnungen in Treppenhäusern, die das innenliegende nach außen bringen, stilvoll geschwungene Fenstereinfassungen und elegante Portale. Und die "Hochburgen" Lutherkirche, Kaiser-Friedrich-Bad oder Palasthotel."Es lohnt sich auch, beim Bummel durch die Stadt nach oben zu schauen", so Georg Habs vom Stadtarchiv. Vor allem in der Waldstraße 128: Da findet sich ein schönes Zitat des berühmten Darmstädter Hochzeitsturmes. Ein paar Meter weiter verneigt sich die Kunstarche vor einem der wichtigsten Protagonisten des Jugendstils: Hans Christiansen. Der gefragte Maler und Grafiker zog 1911 nach Wiesbaden. Mithilfe der Mannheimer Sammlung Kirsch sind hier fast museal Arbeiten aus allen Phasen zu sehen: Gemälde, mit denen sich der Künstler an verschiedenen Stellen abarbeitet - und ganz eigene, völlig neue Schöpfungen wie die berühmte "Christiansen" -Rose, die Porzellan, Mobiliar und Stoffe ziert. Und natürlich seine wunderbaren Arbeiten für die Zeitschrift "Jugend". All das liefert einen guten Eindruck des Universalkünstlers.


„Mutter“

Wiesbadener Tagblatt 12.3.2019
Von Christine Dressler

Wiesbaden. Meist präsentiert die Kunstarche ihre Nachlassbestände und Mitglieder. Jetzt erweitertert der zweite Vorsitzende Bernd Brach als Kurator der aktuellen Ausstellung das Spektrum um Leihgaben für ein Thema das alle betrifft: „Mutter“ rund 60, oft mehrteilige Werke von 26 Künstlern.

Mit sieben aus dem Bestand spannen zehn Mitglieder und neun Gäste den Bogen von 1920 bis heute. Er spiegelt anregend, vergnügt, sinnlich, liebevoll, kontrovers oder alarmierend jede Facette des Kontexts.

Zu sehen sind die eigene oder christliche Mutter, Ur-, All-, oder Erdenmutter, die werdende, verhinderte oder pervertierte Mutter. KH Buch malt seine Mutter 1938 repräsentativ. Nach dem Krieg zeichnet er sie ungebrochen stolz, aber mit so armen Mitteln wie Ruth Teßloff ihre strickende Mutter. 1990 filmt Karin Hoerler die Mama beim Hausputz respektvoll, aber von deren Lebensinhalt distanziert. Rührend wie Brachs gewachste Installation aus Erbstücken der Mutter erinnert, Petra Ehrnsperger in neuen Materialcollagen an Dinge ihrer Mutter.

Ebenso divergent präsentiert sich die christliche Inkarnation der Mutter. Expressionistisch bahnt Josef Eberz‘ Grafik die heillige Familie  1920 auf der Flucht. Roman Nikos transformiert 2018 Maria mit dem Kind altmeisterlich zur heutigen Mutter mit Baby. Auf Peter Blakes Pop-Art-Gemälden beachtet an Kaliforniens Strand keiner außer Maria den Retter der Welt. Während Frank Deubels rauschhafte Fotos 2016 die Madonna entmaterialisieren, strebt sie in Henry Moores Aquatinta 1980 nach amorpher Auflösung. Dramatisch explodiert in Thomas Duttenhoefers Eisen- Pietas 2004 die religiöse Botschaft.

Weggeworfene Silikonbabys zieren schicke Handtaschen

Die Urmutter inzeniert wiederum Thomas Meyer vor einigen Jahren in Beton so konträr wie Willy Weiglein ihre Präzenz 1967 in Öl beschwört. Lieselotte Schwarz komprimiert 1984 so ironisch wie das ganze Leben einer Mutter in einem Aquarell wie Dieter Kliesch 1965 die Last einer Mutter auf einem Kuvert. Die zwiespältig lebenssprühende Terracotta Büste, der vom Kind auf dem Kopf zum Grinsen gezwungenen Mutter schuf Susan Geel dagegen zur Schau. Wolf Spemanns typische Bronze, in der die Eltern das Kind einkugeln, ergänzt seine noch nie gezeigte Keramik-Squaw mit Säugling im Käfig. Auch Arnold Gorskis still wartende Mutter und Herbert Gelhards verheißungsvolle Schwangeren-Akte konstrastieren neue Arbeiten: Drastischer als Gabrielle Hattesen 20-teiliges „Mutterkreuz“, das Verhütung ästhetisiert, schocken ihre teils in schicke Handtaschen verwandelte Fotodrucke von weggeworfenen Silikonbabys für kinderlose Frauen.


Dreigeteilte Ausstellung
Kunstarche zeigt Werke von Ruth Teßloff, Werner Erberle und Susan Geel

Wiesbadener Kurier 18.12.2018
Von Alexander Weiß 

Wiesbaden. „Durchbrochene Welten“ heißt die letzte Ausstellung, die in diesem Jahr in der Kunstarche Wiesbaden gezeigt wird. Im Mittelpunkt stehen Werke von Ruth Teßloff, Susan Geel und Werner Eberle. „Was ist stabil? Was ist zerbrochen?“ In diesen Tagen denkt man mehr an das Ende, weniger an den Anfang“, beschrieb Felicitas Reusch, Vorsitzende der Kunstarche, die Gemütslage.

Auslöser für die Ausstellung war eine Schenkung von Thomas Flössner. Der Dozent der Wiesbadener Musikakademie vermachte der Kunstarche aus dem Nachlass seiner Mutter drei Gemälde der Künstlerin Ruth Teßloff, die mit seiner Mutter, der Konzertpianistin Gerda Flössner eine langjährige Freundschaft verband. Daraufhin setze sich der Vorstand mit dem Nachlassverwalter Alexander Hildebrand in Verbindung , der den Katalog „Tag- und Nachtgleiche:  – Die  Malerin Ruth Teßloff“ verfasste und für die Ausstellung weitere Leihgaben zur Verfügung stellte.

Der Titel des Katalogs helfe dabei, das Werk der Künstlerin sprachlich zu ergründen, erklärte Bernd Brach,  stellvertretender Vorsitzende der Kunstarche: „Tag – und Nachtgleiche: Geht es doch der Malerin auch immer wieder um das Licht, das entweder die gemalte Szenerie erhellt oder sich ihr verweigert.“ Die Bilder Ruth Teßloffs – sie starb 2006 in Wiesbaden- erzeugen so eine melancholische Stimmung. Auf ihrem „Stillleben mit Lampe und Kerze“ leuchtet nichts. „Was erfahren wir von einer nicht brennenden Kerze, welche Informationen bekommen wir von einer Kerze die nicht brennt?“, fragte  Brach das Publikum.  Als eine Enttäuschung der Malerin, die konstatiert, dass der Spiegel dunkel bleibt, deutete Alexander Hildebrand diese Symbole. Licht und  sich spiegelnde Figuren greift Teßloff auch in ihrem Gemälde „Kurzsichtige Selbstbetrachtung“ auf. Das Bild zeigt einen Richter, der sich selbst so genau besieht, das er sich selbst so genau im Spiegel besieht, dass er mit seiner Nasenspitze an den Spiegel vor ihn stößt. Ruth Teßloff malte es im Jahr 1976, möglich ist eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Stammheim-Prozess, der ein Jahr vorher begann.

Arbeiten aus Holz und Ton

In Verbindung mit den Arbeiten von Werner Eberle und Susan Geel ist eine in sich stimmige Ausstellung entstanden. Auf der Suche nach der „guten Form“ begann für den Architekten Werner Eberle die Auseinandersetzung mit dem Medium Holz. Über das Drechseln von funktionalen Schalen entwickelten sich im Laufe der Zeit immer abstraktere Formen, deren Ziel es ist die unterschiedlichen Aussagemöglichkeiten  über das Material zu präsentieren.

Susan Geel ist neu im Kreis der Kunstarche. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit stehen aus Ton verarbeitete Skulpturen.“Eine sinnliche Erfahrung“ seien die Werke der in Zürich geborenen Künstlerin, erklärte Felicitas Reusch. Erschließen lässt sich dies über die Formen und Figuren sowie die Verarbeitung desTons, die mit den bloßen Händen beginnt. Was alle drei Künstler verbindet, sei die „Sprache der Metaphorik“, wie Bernd Brach es nannte. Vorstellungen und Bilder die gut in die Zeit passen.

Werner Eberle "Durchbrochene Welten", Holz, 2018


Vom "Sternenkind" und seiner Geschichte
Die Arbeiten von Lieselotte Schwarz in der Kunstarche

Wiesbadener Kurier 17. Oktober 2018
Von Alexander Weiß

WIESBADEN. Geraldine Elschner hat den Tag noch in genauer Erinnerung, als das Telefon klingelte und Lieselotte Schwarz am anderen Ende des Apparats war. Die Kinderbuchautorin hatte gerade ihr Buch "Sternenkind" zu Ende geschrieben und gemeinsam mit ihrem Verleger Michael Neugebauer überlegt, wer es illustrieren könnte. Das dies die Wiesbadener Künstlerin Lieselotte Schwarz übernehmen könnte, erschien passend, aber unvorstellbar. Zu groß waren schlichtweg die Namen jener Autoren, die von Elschner gemeinsam mit den der gefragten Illustratorin auf dem Buchtitel standen: Henry Miller etwa, E.T.A. Hoffmann oder Ingeborg Bachmann. "Und dann kam ich mit meiner kleinen Geschichte", sagt Elschner. Jetzt sind die Arbeiten von Lieselotte Schwarz unter dem Motto"Das Lächeln am Fuße der Leiter" bis zum 9.November in der Kunstarche zu sehen.

"Sternenkind" steht in einem traurigen Zusammenhang, denn gerade war im Bekanntenkreis ein Mädchen im Alter von vier Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben. "Ich suchte nach Wegen, um mit meinen Kindern über das Thema Tod zu sprechen, und habe mich dann an den Schreibtisch gesetzt. Der kleine Stern unternimmt dabei eine Reise vom Himmel zur Erde und dann wieder zurück, wo er sich mit dem Mond über das Erlebte unterhält." Lieselotte Schwarz gefiel der Text, besonders das Verhältnis zwischen dem, was der Stern auf Erden, und dem was er im Himmel erlebte, beschäftigte sie. Bis heute sei sie davon gerührt, wie Schwarz auf ihren Text eingegangen sei, sagte Elschner. Sie habe nachvollziehen können, dass in Anlehnung an das Mädchen in der Geschichte die Zeit auf Erden viel kürzer war als die im Himmel. Das Buch erschien 2002. Es war die letzte große Arbeit von Lieselotte Schwarz. Ein Jahr später starb die Künstlerin in Wiesbaden.

"Der Bruch mit dem Herkömmlichen"

Durch Leihgeber die teilweise mit der Buchillustratorin und Malerin befreundet waren, konnten die Mitglieder der Kunstarche die Ausstellung zusammenstellen. Für ihre Werke wurde die 1930 in Liegnitz (Schlesien) geborene Künstlerin mit vielen Preisen bedacht, darunter etwa der "Grand Prix", der ihr 1973 für das von ihr geschriebene und gemalte Buch "Traummacher" auf der Biennale in Bratislava (BIB) verliehen wurde. Die Figuren mit den lustig klobigen Formen könnten aus dem Beatles-Kultfilm "Yellow Submarine" entsprungen sein. Sie erzählen von einer Welt, die bunter, leidenschaftlicher und offener ist als die Realität. Felicitas Reusch, Vorsitzende der Kunstarche, erklärt es so "Im Vordergrund der Arbeit von Lieselotte Schwarz steht der Bruch mit dem Herkömmlichen." Die Leser und Betrachter ihrer Werke haben dadurch den Weg in eine fantastische Welt gefunden.


Malend in die Ferne schweifen
Kunstarche „Reisebilder“ als Thema einer sommerlichen Ausstellung mit Werken von 17 Künstlern

Wiesbadener Kurier 11. Juli 2018
Von Volker Milch

Wiesbaden. Vielleicht nach Südindien? Oder nach Kapstadt? Oder doch nicht ganz so weit und lieber eine kleine Zeitreise nach Paris? Dort kann man sich am Quai des Orfèvres eine Reihe von Oldtimern anschauen. Ein Blick auf Frankreichs Hauptstadt durch die Augen von Max Bollwage: Der 1927 geborene Grafikdesigner hatte 1951 als Student der Wiesbadner Werkkunstschule an einer Klassenreise nach Paris teilgenommen. „Der Skizzenblock gehörte selbstverständlich dazu“, erinnert sich Bollwage im Katalog zur Ausstellung “Reisebilder – gezeichnet und gemalt“.

„Ich möchte es haben, also landet es im Skizzenbuch“

Der Verein Kunstarche, der sich der Bewahrung und Erschließung von Werken aus der Wiesbadener Künstlerschaft widmet, hat sich in der aktuellen Schau ein wirklich sommerliches Thema vorgenommen. Und der Skizzenblock von Max Bollwage bewahrt die Frische der Eindrücke des jungen Mannes über Jahrzehnte. Zum Beispiel drei Grazien am Strand, mit schwungvoller Delikatesse hingeworfen und koloriert. Ob Max Bollwages Satz, dass das Skizzieren für ihn etwas Besitzergreifendes habe, wohl auch für diese Strandszene gilt? „Ich möchte es haben, krieg es aber nicht, also landet es als Motiv auf dem Zeichenblock oder im Skizzenbuch.“

Bollwage aus dessen Schaffen als Buchgestalter ebenfalls reizvolle Beispiele zu sehen sind (Goran Schildt:“Die Wunschreise“), steht für eine von vielen Variationen des Themas “Reisebilder“. Stadtrat Helmut Nehrbaß freut sich besonders, wie er in seinen Begrüßungsworten als Vertreter des Kulturdezernenten Axel Imholz sagt, dass zwei der „Gründungsväter“ der Kunstarche bei der Ausstellungseröffnung in den Räumen des Stadtarchivs präsent sein können: Der Bildhauer Wolf Spemann und der Maler Arnold Gorski, der auch mit Impressionen aus der Howachter Bucht in der Ausstellung vertreten ist. Nehrbaß würdigt die „ganz, ganz verdienstvolle Arbeit“ der Kunstarche, die Nachlässe von Künstlern sammle und bewahre, „die nicht unbedingt in den großen Museen der Welt zu sehen sind, aber für uns doch wichtige Werke geschaffen haben.“

Der Publikumsandrang bei der Eröffnung war vermutlich nicht nur der Anziehungskraft des Reise Themas zu verdanken, Felicitas Reusch, die Vorsitzende des Vereins Kunstarche, Mäzenin und engagierte Streiterin nicht nur für regionales Kunstschaffen, feierte im Ausstellungs- Rahmen ihren 70 Geburtstag nach.

„Noch nie sind die Menschen so viel gereist wie heute, und noch nie haben sie so viele Fotos von ihren Reisen mit nach Hause gebracht“, sagt die Kunsthistorikerin in ihrer Begrüßung.

Sie stellt der digitalen Bilderflut das beharrende Moment der Malerei entgegen wie es den Besuchern in den Werken von Michael Moering (1942-1986) entgegentritt. Die Aura verehrter Maler suchte er an ihren Lebensorten auf. Bei einer Reise 1985 in die Provence etwa malte er Cézannes Atelier oder den Meister höchst selbst an der Staffelei. Von südlichem Licht durchdrungen – und darin ein wenig an die Resultate der Tunisreise von Paul Klee und August Macke erinnernd, ist auch ein Aquarell von Johannes Ludwig, der in 1984 in Ägypten „Häuser mit Schafen“ als Aquarell verewigt hat.

„Die Spanne ist ganz weit, von der Sahara bis zur Antarktis“, bemerkt Helmut Nehrbaß über die Motive der Ausstellung. Die weite Spanne kann man aber auch auf die Formen beziehen: Dem Realismus in Öl oder Aquarell stehen zum Beispiel sandige Sahara-Collagen von Christa Göppert oder abstrakte, wild beschwingte Reise-Tondi von Ricarda Peters gegenüber.

Das man beim Reisen nicht nur landschaftlicher Schönheit oder exotischen Menschen begegnet, wie sie Helmut Lippert an einem indischen Strand sieht, zeigt Erika Kohlhöfer-Hammesfahr: Unter dem ironischen Titel „Schöne Dolomiten“ ist eine Müllhalde mit Schrottautos viel präsenter als das Bergpanorama im Hintergrund.

Dass die Fortbewegung auch immer eine innere Reise ist, setzt Bernd Brach in atmosphärisch dichten Tuschezeichnungen ins Bild. 1994 unternahm der Wiesbadener eine Pilgerreise nach Santiago de Compostela und stellte architektonischen Eindrücken „Skizzen aus meinem Innenleben“ gegenüber.


Ein Künstlerpaar zwischen den Weltkriegen
Umfangreiche Werkschau des Wiesbadener Bildhauers Arnold Hensler und der Fotografin Annie Hensler-Möring

Wiesbadener Kurier Kultur 12.02.2018
Von Andrea Zisler    
                                                                         

WIESBADEN. "Wir sind sehr stolz über die großzügige Schenkung der Werke des Künstlerpaares." So kommentiert Felicitas Reusch, die Vorsitzende des Vereins Kunstarche, die umfangreiche Nachlass-Schenkung aus dem Hause der Familie Keutner (Köln), den Nachfahren von Paula Keutner, der Schwester des Bildhauers. 

Der Bildhauer und gebürtige Wiesbadener Arnold Hensler (1891-1935) konzentriete sich in seinem Schaffen auf Bauplastiken und Denkmäler. Wer kennt nicht die Quellnymphe in den Wiesbadener Reisinger Brunnnenanlagen ( Einweihung 1932 )? Die massive Skulptur aus Lahnmarmor kniet majestätisch im Fontänenbecken in der städtischen Grünanlage. Deutlich passender zu ihrer kraftvollen, wuchtig-kollossal anmutendeden Gestalt trägt sie auch den Titel "Die Wasserschöpferin".

Neben einer großformatigen Fotografie von Patrick Bäumel (2017) befindet sich unter den Exponaten auch ein souvenierähnliches, kleines Modell der Plastik. Die komplentativ-anmutig Badende gehört zu den reifen Werken des Künstlers. Stilistisch ist die Figur der neuen Sachlichkeit zuzuordnen, ihr Erscheinungsbild orientiert sich an ostasiatischen Vorbildern. Gemeinsam mit seinen Freunden und Kollegen, dem Gartenarchitekten Friedrich Wilhelm Hirsch und dem Archiktekten Edmund Fabry,      gelang es Hensler, ein interdisziplinäres Gesamtkunstwerk aus Gartenanlage, Brunnen und Skulptur zu schaffen, welches die Landeshauptstadt und den Kurort mit seinen warmen Heilquellen trefflich repräsentiert. Als Aufgabe der Gemeinden galt es am Ende des Ersten Weltkrieges, die Gefallenen zu ehren und Witwen und Waisen zu versorgen. In diesem Kontext wurden Hensler zahlreiche Aufträge für Kriegsdenkmäler zuteil. Welch feinfühlige Ader der Bildhauer hatte, zeigt die trauernde Figurengruppe "Trauernde Mutter mit Kind" im Zentrum des Kriegerehrenmals auf dem Dotzheimer Ehrenfriedhof. Die beim Betrachter Empathie herrvorrufende Plastik lehnt sich an das religiöse Motiv der Maria mit Kind an und transferiert es in die Gegenwart. Es zeigt das klassische familiäre Familienbild nach Kriegsende: eine trauernde Witwe mit ihrem verwaisten Kind.          

Persönliche Einblicke in das Leben des Künstlerpaars bieten die fotografischen Dokumentationen seiner Frau Annie Hensler-Möring. Sie erfuhr ihre künstlerische Grundausbildung an der Berliner Reiman-Schule für Kunst und Kunstgewerbe. Aus dieser Zeit zeigt die Schau zahlreiche aufwendig restaurierte Entwürfe von Werbeplakaten. Nachfolgend studierte sie an der Hamburger Landeskunstschule Fotografie. In Wiesbaden eröffnete die vielseitige Künstlerin in der Victoriastraße 22, Ecke Dante-Straße ein Fotoatelier. Zu ihren Kunden zählte hochrrangige Prominenz. Persönlichkeiten aus Polotik, Kunst und Kultur präsentieren sich auf ihren Bildnissen gerne in mondänem Habitus.


Vom Flohzirkus in der Tabakdose
Eine sehr unterhaltsame Gruppenausstellung zum bunten Thema "Tiere in der Stadt"

Rheinmain Presse Kultur am Wochenende 9. September 2017
Von Birgitta Lamparth

WIESBADEN - Ganz schön schnell unterwegs. Da rast ein Gepard am Wiesbadener Bowling Green vorbei – und erinnert fatal an jenes arme Wildschwein, das kürzlich einen Schaufensterbummel in der Wilhelmstraße mit dem Leben bezahlen musste. Der Gepard hat seines schon vor langer Zeit verloren: Er ist präpariert und zählt zur Naturhistorischen Sammlung des Wiesbadener Museums. Fotokunst von Dietmar Buchelt macht seinen Ausflug auf die Rue möglich.

Zu sehen ist diese Arbeit zusammen mit zahlreichen anderen zum Thema „Tiere in der Stadt“ seit gestern Abend in der Kunstarche am Stadtarchiv, Im Rad 42. Die große Gruppenausstellung versuche, „das Menschliche im Tier und das Tierische im Menschen zu spiegeln“, so Felicitas Reusch von der Kunstarche, die sich in den vergangenen Jahren vom Archiv für Künstlernachlässe zum attraktiven Ausstellungsort gemausert hat.

Apropos Nachlass: Nach dem Tod von Robert Preyers Witwe falle in Kürze die eine Hälfte des künstlerischen Erbes an die Kunstarche, die andere gehe an die Stadt Wiesbaden, verrät uns Felicitas Reusch. Von Preyer sind in der Schau feine Illustrationen zu sehen. Auch ein fabelhaftes Ölgemälde, auf dem Hunde eingepfercht sind – und die Katzen drumherum feixen.

Überhaupt hat die Ausstellung eine durchaus heitere Note – mal abgesehen von den blutrünstigen Szenen aus dem Schlachthaus von Felix Hamsvaar oder dem Todesvogel von Fee Kempf. Sehr lustig dagegen die Bienen, die Comiczeichner Hunz (eigentlich Hans Wirth) als Bauarbeiter hoch über der Stadt auf einem Balken drapiert – ein Zitat des berühmten Fotos „Lunch atop a skyscraper“ über New York. Ganz wunderbar auch der „Taschenzirkus“ von Peter Lörincz: die Gravur eines seiltanzenden Flohs – in einer metallenen Zigarillodose. Von Lörincz sind weitere köstliche Motive wie der possierliche „Teddyfant“ in der Schau zu sehen.

Es sind auch die ungewöhnlichen Begegnungen, die beim Besuch der Schau hängen bleiben. Wie die einer griechischen Landschildkröte mit einem Gemälde im Kunstmuseum Basel. Oder die Tier-Mensch-Konstellationen von Uta Grün, deren „Zirkusszene“ wie aus einem Traum wirkt. Schön auch die Applikationen der Fadenzeichnungen von Martina Hahn. Tiere, das werden sicher auch die vielen Besucher zeigen, die der Schau zu wünschen sind, Tiere gehen immer.


Vom schönen Verweilen
Kunstarche zeigt Pflanzen in Werken Wiesbadener Maler und Holzobjejekte von Werner Eberle

Wiesbadener Tagblatt Feuilleton 12.Juli,2017
Von Volker Milch

WIESBADEN. Gartenfreunde haben gerade viel damit zu tun den Wildwuchs zu bändigen. Der Sommer lässt es heftig Grünen und Blühen. Und manche Augenfreude ist schon am nächsten Tag verblüht. "Ein Verweile doch!" wird von den Pflanzen leider nicht gehört.

Zum Glück gibt es da die Kunst: Die Verewigung flüchtiger Schönheit  des Floralen hat sie sich schon immer gerne gewidmet. Auch in Wiesbaden, wo jetzt die Kunstarche unter dem Titel "Sie wachsen, blühen und vergehen nicht" eine reizvolle Ausstellung mit Pflanzenbildern Wiesbadener Malerinnen und Maler zeigt. Dabei wird stilistisch ein breites Spektum zwischen klassischem Veilchenmotiv und abstraktem Farbenspiel abgedeckt.

Ein buntes Thema in vielen Variationen

Zu den interessantesten Variationendes des Themas gehöhrt das "Liegende Blatt mit Schatten" von Albrecht Graupner. Das Transistorische des Themas erfasst der 1996 gestorbene Künstler mit elegantem Schwung und einer Farbpalette, die das Grün auf dem Weg zum herbstlichen Braun und zum Grauschwarz des Verfalls zeigt.

Üppige Blütenpracht strahlt dagegen Renate Reiferts "Fee Amaryllis" aus, die in ihren roten Blütenkelch schauen lässt. Bürgerlich gebändigt erscheint das erotische Potential der Blumen hingegen in manchen Vasenbildern und auch in einem melancholischen Fensterbild von Arnold Gorski. Der 1935 geborene Künstler erweist sich auch in seiner Sommerblumenpracht als Virtuose der Farbe. Auch Gerda Stryi und Christa Moering sind mit reizvollen Exponaten vertreten.

Felicitas Reusch, 1.Vorsitzende der Kunstarche, hatte sich zum fünfjährigen Bestehen ihres den Nachlass hiesiger Künstler bewahrenden Vereins ein "festliches Thema" gewünscht, wie sie beim Rundgang sagt: "Blumen begleiten uns immer, wenn es intensiv wird im Leben."

Intensiv ist die Pflanzen-Ausstellung mit über 60 Expponaten allein schon in ihrer Fülle. Dabei sind Pflanzen nicht nur als Abbild, sondern wie in den Collagen von Brigitte Pega, auch als Relikt präsent. Pega arbeitet mit großen Catalpablättern im Spannungsfeld von Aquarell und Kreide. Konkret wird die Natur auch in rund 80 Holzobjekten von Werner Eberle. Sie zeigen eine enorme Bandbreite im Umgang mit diesem lebendigen Material, das zu Gefäßen gedrechselt wird, die den Blick buchstäblich in sich hineinziehen.


JUBILÄUM Seit fünf Jahren Kunstarche
Zuta-Erben wollen Nachlass übergeben

Wiesbadener Kurier 10.05.2017
Von Ulrike Brandenburg

WIESBADEN Der Aufgabenbereich der Wiesbadener Kunstarche wächst immer weiter. Zu ihrem fünf jährigem Bestehen umfasst die Künstlerliste bereits 55 Namen. Sogar der Berliner Expressionist Conrad Felixmüller (1897-1977) ist genannt, dazu der früh verstorbene Vorreiter der deutschen Konzeptkunst, Peter Roehr (1944-1968), und die Generationen prägende, einem erzählenden Konstruktivismus verpflichtete Bilderbuchillustratorin Lieselotte Schwarz (1930-2003).

Mitbegründer der freien Kunstschule

Auch ein wichtiger Vertreter der unter anderem von Fritz Winter, Willi Baumeister und Max Ackermann repräsentierten so genannten Malerei der Inneren Emigration, der Wahlwiesbadener Otto Ritschl (1885-1976), zählt dazu. Darüber hinaus finden sich auch die Namen von besonders aktiv auf die Stadt bezogenen Künstlern.

Nachdem Kunstarche und Artothek bereits über einzelne Werke des Wiesbadener Malers, Verlegers, Lehrers und Galeristen Paul Zuta (1921-2008) verfügen, signalisieren die Erben nun Interesse an der Übergabe des noch unaufgearbeiteten Nachlasses. Der in Ungarn geborene Zuta, der als Mitglied der englischen Armee in Rom die Malerei für sich entdeckte, nach Kriegsende jedoch zunächst nach Israel zurückkehrte, führte bis 1995 die sehr gut besuchte Galerie Zuta im Herzen der Wiesbadener Altstadt. Paul Zuta  gilt neben Wiesbadens Ehrenbürgerin Christa Moering (1916-2013) und dem späteren Leiter Wolfgang Becker (1930-2008) als Mitbegründer der Wiesbadener Freien Kunstschule.

Bereits Anfang März war die Wiesbadener Kunstarche an der Gründung  des so genannten Bundesverbandes Künstlernachlässe (BKN), einem Zusammmenschluss von neun regionalen Künstlernachlassinitiativen, beteiligt. Das BKN-Netzwerk, zu dessen Mitgliedern etwa das von Gora Jain geleitete Forum für Künstlernachlässe in Hamburg und die Lüneburger Sparkassenstiftung zählen, hat sich die Anerkennung regionaler Künstlernachlässe inklusive Schriftgut als nationales Kulturerbe, die Einbindung von Künstlernachlässen in Lehre und Forschung und die kontinuierliche Förderung durch Bund und Länder zum Ziel gesetzt.

Die Kunstarche Wiesbaden gibt unter dem Reihenmotto "Kunstgeschichte Wiesbaden" Künstlerinterviews, Erinnerungsberichte und Datensammlungen heraus. Den Auftakt bildet das Buch "Skulpturengarten Wolf Spemann" jener Band eins der Katalogreihe enthält auch ein Interview mit dem titelgebenden Bildhauer und Initiator der Kunstarche. Es folgt der "Werkkatalog Christa Moering", die Künstlerin kam übrigens der Heirat mit dem hiesigen Abstrakten Alo Altripp (1906-1991) wegen nach Wiesbaden. Nach Band drei (Arnold Gorski: In den Kulissen) erschien 2016 das jüngste Buch "Die Werkkunstschule Wiesbaden 1949-1970: Die legendäre Talentschmiede", das Biografien und Abbildungen damaliger Schülerarbeiten umfasst.


Ästhetische Raritäten Ausstellung von Günther Stiller in der Kunstarche

Wiesbadener Tagblatt 6. Mai 2017
Von Christine Dressler

WIESBADEN - Rund 100 kraftvolle, poetische, sensible, gesellschaftskritische und humorvolle Zeichnungen, Aquarelle, Linol- und Holzschnitte, Monotypien, Laubsägearbeiten, Alu- und (Farb-)Lithografien, Fotografiken, Plakate und von Günther Stiller illustrierte Bücher zeigt die Kunstarche zum 90. Geburtstag des vielfach ausgezeichneten experimentierfreudigen Hamburgers. Er lebte, bis er 1964 nach Watzhahn zog, seit 1951 in Wiesbaden und begründete hier 1957 mit dem Auftrag für Kästners „Drei Männer im Schnee“ seinen Ruf als herausragendster Buchillustrator der 60er und 70er Jahre. Sie bilden auch das Herzstück der Schau.

Leihgaben bereichern die Schau

Zu mit Günther und Renate Stiller in Watzhahn ausgewählten oder im Kunstarche-Verein vorhandenen Exponaten kaufte Vorsitzende Felicitas Reusch viele der gut 30 Bücher, die Stiller illustrierte, extra für die Retrospektive: beim Stiller-Schatzhüter Wolfgang Grätz in Frankfurt und aus der Bibliothek des früheren Klingspor-Museum-Direktors bei Antiquar Helmut Lang. Dazu bereichert Verleger Hans Joachim Gelberg die Ausstellung mit Leihgaben.

„Sie bringen Glanz in unsere Hütte“, dankte Reusch bei der mit mehr als 100 Besucher überlaufenen Eröffnung Stiller unter großem Applaus für sein Werk und verriet, wem die Schau zu verdanken war: Renate Stiller wünschte sie sich zum 90. Geburtstag ihres berühmten Gatten. Für ihn sang das Publikum das „Sesamstraße“-Lied, bevor Professor Karl-Eckhard Carius das „revolutionäre“ Schaffen des „kulturellen Zeichensetzers“ gegen die Kommerzialisierung und für die Individualität in die Buchherstellung, Bildung und gesellschaftliche Entwicklung von 1900 bis heute einordnete.

Carius, der an Wiesbadens Werkkunstschule studierte und in Vechta emeritierte, schilderte und belegte in seinem reich bebilderten Vortrag die „erstaunliche Vielfalt“ und das „sehr breite Spektrum“ an gängigen sowie experimentellen Techniken und Ausdrucksformen in Stillers Arbeiten. Ihre Bedeutung für die Zukunft beweise die Besonderheit, dass seine „ästhetischen Raritäten“ schon zu Lebzeiten des Künstlers „museal“ wurden. „Der Stiller ist kein Stiller“, zitierte Carius Peter Härtling. An freien Arbeiten und Dutzenden Beispielen von Illustrationen für unterschiedlichste Kinder-, Lieder- und Lyriksammlungen oder Autoren wie Gogol, Andersen, Rimbaud, Schlegel, Verlain, Guggenmoos und Weiss schilderte Carius die extreme Spannweite der Schau. Dabei verdeutlichte er im Vergleich zu vor, parallel und nach Stiller Entstandenem anderer Künstler bis hin zur heute üblichen Gestaltung, Vermarktung, Digitalisierung und Rezeption von Literatur, wie „Stillers Kunst die Gestaltung gleichbedeutend mit dem Inhalt“ und das Buch zum „multimedialen Ereignis“ machte.


Am liebsten bunt
KUNSTARCHE Ausstellung der Malerei von Peter Wolf

Wiesbadener Tagblatt Kultur 15.03.2017 
Von Ulrike Brandenburg

Wiesbaden. "Bunt ist meine Liebelingsfarbe" - dieses auf den Goetheschen Farbkreis verweisende Walter-Gropius-Zitat steht mottogebend über der gegenwärtigen Schau von Arbeiten Peter Wolfs in der Kunstarche. Insgesamt hat Wolf die bereits am Bauhaus gelehrten Quälitätsansprüche an die ungengeständliche Malerei  verinnerlicht und umgesetzt - ausbalanciert sind alle Farb- und Formelemente, so wird das Auge durch die Komposition geführt, ohne dass einzelne Bildpartien völlig aus dem Fokus geraten. Den Flow der Wahrnehmung hergestellt zu haben, ist also gelungene Qualitätsicherung - und wenn Farben, wie im Falle Peter Wolfs, Binnenvariationen erfahren, dann steigert das die Komplexität der Gesamtwirkung und damit auch die Güte der Bilder. Auch formal vollendet also sind sämtliche Arbeiten des Malers - der durchaus Bild-Reihen, wenn auch nur bedingt Bild-Serien erschafft.

Immer wieder leuchtendes Pink

 Dann aber folgt Wolf eigenen Farbideen und nimmt sich künstlerische Freiheiten, die unter strengen Adepten der klassischen Weimarer Lehre durchaus verpönt sind. Peter Wolf lässt sich nicht nur die Farben des Himmels, lässt Türkis, Nachtblau, Feuerrot und Warmgelb fluten, sondern verwendet immer wieder ein leuchtendes Pink und damit jene im 20. Jahrhundert neu auftauchende Farbe, deren Energie den deutschen Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner so berauschte, dass er Teile seines Frühwerks übermalte. Wolf, der unter anderem bei Malern im Hamburger Raum studierte, und dessen ebenfalls einsehbare Skizzenbücher virtuose Zeichnungen und Meeres- Aquarelle zeigen, taucht winzige rote Backteinhäuser auf grüner Hallig in dynamische, geradezu norlichternde und fast losgelöste Farbschleier. Mit Nolde verbindet den seit zehn Jahren in Wiesbadener lebenden Künstler und Neumitglied der Kunstarche sichtbar die Erfahrung, dass der HImmel in Norddeutschland höher ist als anderswo. Das eigendliche Thema Wolfs scheint die Erschaffung eines bühnenähnlichen Raums zu sein, in welchem Farben als Aktuere auftreten - diese Grundidee charakterisieren auch des Künstlers Portraits von Ikonen der Zeitgeschichte. Einen Teil dieser Serie hat der Maler übrigens im lichterfüllten Grisaille-Stil gestaltet. Dazu passt auch, dass er die künstlerische Nichtfarbe Weiß im Sinne einer angedeuteten metaphysischen Perspektive in seine Landschaftsprospekte integriert. Wolf malt seit seiner Gymansialzeit, und das kontinuierlich - Kunst schaffend in Parallele und in der Folge seiner Karriere als Personalmanager einer deutschen Großbank und oft eben auch, zum Leidwesen seiner Frau, wie Wolf zerknirscht zugibt, im Urlaub.


Legendäre Talentschmiede
Die Kunstarche blättert die Geschichte der Werkkunstschule auf

Wiesbadener Kurier Kultur 14. Dezember 2016
Von Birgitta Lamparth

WIESBADEN - Sie hat zwei Generationen von Künstlern im bildenden und angewandten Bereich geprägt: Die Wiesbadener Werkkunstschule wirkte zwischen 1949 und 1970 nachhaltig. Im heutigen Kunsthaus auf dem Schulberg wurde eine ebenso vielseitige wie intensive Ausbildung gepflegt, die bis heute mit einem Namen untrennbar verbunden ist: Vincent Weber, der ebenso charismatische wie kompromisslose Maler, leitete die Schule von 1954 bis 1965.

Aber nicht nur ihm, sondern auch seinen Dozentenkollegen setzt eine Ausstellung in der Kunstarche ein Denkmal. Die Geschichte der legendären Talentschmiede wird hier aufgeblättert – von der Grundlehre bis zu „fertigen“ Künstlern.

Lauter Exponate von Ehemaligen

Farben anlegen, geometrisch-rhythmische Übungen, Bildanalysen: So waren die Anfänge, wie man hier in Beispielen sehen kann, allesamt Exponate von Ehemaligen. Im Grundsatz blieben diese immer identisch. Und im Fortgang entwickelten sich mit einer fächerübergreifenden Ausbildung die individuellen Talente weiter, die sich in rund 250 verschiedenen Berufsbildern wiederfanden.

So konnte auch Vincent Weber Spuren in der angewandten Kunst hinterlassen. Mit ihm kam das „Overstolz“-Rot in die Schulprogramme, eine Ableitung seines Farbtons für die Zigarettenmarke.

Charakteristisch für die Ausbildung an der Werkkunstschule Wiesbaden war aber auch der dezidierte Unterricht in der Schrift. Hier gibt es zahlreiche Beispiele des Schriftkünstlers Gottfried Pott, der seine Kalligrafie immer mehr verfeinerte. Dann die Buch-Illustrationen, zu denen es ebenfalls zahlreiche Beispiele gibt. Einige wenige zur Metallbildhauerei: Die Klasse wurde 1961 geschlossen. Die Bildhauerei hingegen hatte mit Erich Kuhn und später Erwin Schutzbach prägende Lehrer. Die Abteilung Architektur wurde über all die Jahre von Gerhard Schammer geführt. Keramikabteilung, Innenarchitektur mit perspektivischen Arbeiten mit dem Raum, Fotografie, Modedesign: Die Werkkunstschule war in jeder Hinsicht breit aufgestellt.

Welche Früchte sie trug, wird bei Arbeiten von arrivierten Künstlern wie Thomas Duttenhoefer, Arno Gorski oder Istvan Szasz deutlich. Und natürlich Wolf Spemann, von dem das Vorwort für den sehr gelungenen Katalog stammt und der den fließenden Übergang von Handwerk und Kunst, der in der ehemaligen DDR noch so unterrichtet wurde, nach der Wiedervereinigung vermisst. Bundesweit wurden die Werkkunstschulen in Fachhochschulen umgewandelt. „Der hier vorliegende Band möchte einen Denkanstoß geben, die Problematik neu zu durchdenken,“ so der Wiesbadener Bildhauer. Sicher ein guter Ansatz für eine Diskussion mit und an der Hochschule Rhein-Main.


"Handschmeichler aus Holz und gemalter Waschtisch"
Schau zur Geschichte der Werkkunstschule Wiesbaden

Frankfurter Allgemeine Zeitung 13. Dezember 2016 
Von Katinka Fischer

Kaum zu glauben, aber auch Peter Roehr hat einmal ganz brav seine Hausaufgaben gemacht und mit dem Kohlestift das Helldunkel eines düster romatischen Waldstücks zu Papier gebracht. Nur die leuchtend blaue, in selbstbewußten Versalien schwungvoll daruntergestzte Signatur scheint schon anzukündigen dass der spätere Wegbereiter des Minimalismus bald aus dem akademischen Kanon ausscheren sollte. Roehr hat das Blatt um 1962 an der Werkkunstschule Wiesbaden (wks) hergestellt, wo er die Malerei Klasse von Vincent Weber besuchte. Jetzt gehört es zur Austellung in den etwas abgelegenen Räumen des Wiesbadener Nachlassarchivs "Kunstarche", die die wks-Geschichte illustriert und damit eine Instution auferstehen lässt.

In dem Backsteingebäude auf dem Schulberg, das inzwischen als eine Art kummunale Galerie und Atelierhaus dient, wurden von 1949-1970 junge Gestalter in Illustration, Malerei, Schrift und Grafik, (Metall-) Bildhauerei, Innenarchitektur, Keramik, Mode und Fotografie ausgebildet. Insgesamt 150 Ausstellungstücke, zu denen neben Leihgaben der Ehemaligen auch Werke aus der Nachlass-Sammlung der Kunstarche gehören, fügen sich zu mehr als nur einem nostaltigischen Rückblick.

Ein nach Fächern und Klassen geliederter Rundgang führt zunächst vor Augen, wie gut namhafte Lehrer wie Oskar Kolb, Heiner Rothfuchs oder eben Vincent Weber ihre Schützlinge auf den Beruf vorbereitetet haben. Davon zeugen unter anderem Plakate, Buchumschläge, Metallreliefs, Stoffdesigns, Vasen, Firmensignets oder freie Arbeiten und sogar kalligraphische, naturillustrative und farbanalytische Fingerübungen der Grundlehre, die durch eine oft weit über Schülerarbeiten hinausgehende Reife beeindrucken. Oft haben es deren Schüler zu Ruhm gebracht.

Dieter Rams zum Beispiel, der auf dem Wiesbadener Schulberg Innenarchiktetur studierte, bevor er als oberster Formgeber des für seine wegweisende Ästhetik bekannten Elektroherstellers Braun reüssierte. Leider erfährt man nicht, ob er auch als Werkkunstschüler schon Ausnahmequalitäten an den Tag legte. Eines seiner Frühwerke, das die Schau zusätzlich hätte adeln können, fehlt. Unterdessen die Zeichnungen eines Waschtisches die Renate Sautermeister 1957 in der Illustrationsklasse Heiner Rothfuchs schuf, dass ihr Sujet schon früh in ihr angelegt war: Interieurs und Möbelstücke, die als Metaphern für die seelische Innenausstattung gedeutet werden müssen, ziehen sich wie ein roter Faden durch alle Schaffensphasen der Frankfurter Künstlerin (1937-2012).  Das von Pop-Art beeinflusste Werk ihres späteren Mannes Nikolaus Jungwirth hingegen sollte im Ausdruck nicht so streng sein wie das Selbstpoträt des 22 Jahre alten Schülers.

Zu den Vertretern der nächsten wks-Generation gehört Karl-Eckard Carius, den einstige Schüler des Wiesbadener Dillthey-Gymansiums noch in guter Erinnerung als Kunstlehrer haben und der heute in Vechta lehrt. Er war 24 Jahre alt, als in der Bildhauer-Klasse von Erwin Schutzbach hölzerne Holzschmeichler entstanden, deren Größe und souveräne Form bestimmt sind durch mehrere kleinere, in der Summe damit übertreffende Einzelteile.

Zur Austellung ist im Reichert Verlag ein Buch erschienen, das die neben den gestalterischen Werken präsentierten Zeitungsausschnitte, Zeugnisse, Fotos und andere Dokumente zusäztlich anreichert mit historisch einordnenden Aufsätzen und Errinnerungen einiger Ehemaliger an Studienfahrten nach Colmar zum Isenheimer Altar. Die ehemaligen Karnevalsfeste der Werkkunstschüler schließlich genießen bis heute einen legedären Ruf, dass sie den Herausgebern ein eigenes Kapitel wert waren.

1971 lösten Fachhochschulen auch anderswo in Deutschland die Werkkunstschulen ab. Die im Geist des Bauhauses wurzelnde Idee, der Einheit von Handwerk und Kunst, die dort buchstäblich Gestalt annahm, bleibt beispielhaft.


70 JAHRE HESSEN Werner Kump und seine Gestaltung des Wappentiers an der legendären Werkkunstschule

Wiesbadener Tagblatt Kultur 25.Juni 2016
Von Birgitta Lamparth

WIESBADEN - Er ist nicht blau, sondern rot-weiß gestreift: Der hessische Löwe, der jetzt zum 70. Geburtstag des Bundeslands im Blickpunkt steht, wurde auch von den Professoren der damals legendären Werkkunstschule zum Motiv erklärt. Werner Kump, Leiter der Fachabteilung Metallbildhauerei, hat ihn eindrucksvoll gestaltet. Auf seine Arbeiten ist Felicitas Reusch von der Kunstarche gestoßen: Sie bereitet für November eine Ausstellung über die Werkkunstschule vor.

„Es handelt sich immer um den steigenden Löwen im Profil mit ausgeschlagener Zunge, der Schweif variiert vom dreifachen Schweif bis zum Schwanz mit Quaste“, so Felicitas Reusch über die Löwen von Kump, der mit der Gründung der Wiesbadener Werkkunstschule 1949 eingestellt wurde und bis 1961 Leiter der Metallbildhauerei blieb. Seine Löwen seien männlich gewesen und nicht geschlechtslos, so Reusch, die auch in Kumps Versionen im Innenministerium Symbole sieht für „männliche Ernsthaftigkeit“, für „Abwehr und Verteidigung“. Diese Löwen seien von jemandem gestaltet worden, der zwei Weltkriege erlebt hat: „Dieser drahtige Löwe ist kein Kuscheltier.“ Sein Entwurf war erstmals 1949 in einer Ausstellung der damals noch „Werk+Kunst Schule“ geschriebenen Ausbildungsstätte zu sehen – mit einem von Johannes Boehland entworfenen Plakat. Boehland war damals Leiter der Fachabteilung Grafik. 

  • WAPPENTIER

    Für die Vorbereitung der Ausstellung „Werkkunstschule 1949 - 1970“, die am 13. November eröffnen soll, sucht die Kunstarche, Im Rad 42, noch Leihgeber: Wer ein Wappentier auf einem Teller (Ehrengabe) oder eine Plakette aus jener Zeit hat und sie der Kunstarche für die Ausstellung zur Verfügung stellen möchte, wendet sich an: kontakt@kunstarche-wiesbaden.org.

Damals lag die „Leitung der Anstalt in den Händen eines Kuratoriums, das sich aus Mitgliedern des Hessischen Kultusministeriums, der Industrie sowie aus Vertretern der Kammern und der Verlegerschaft zusammensetzt“, so in der Ankündigung 1949.

Kumpf, 1896 in Köln geboren und 1989 in Bad Schwalbach gestorben, hat auch in anderen führenden hessischen Institutionen seine Spuren hinterlassen: Sein Metallrelief „Die Welt in Zahlen“ zeigt im Statistischen Bundesamt seine klare Linienführung und gibt den Zeitgeschmack wieder. An ihn und seine kreativen Mitstreiter der Werkkunstschule wird eine Ausstellung in der Kunstarche erinnern, die am 13. November eröffnet wird und eine Lücke schließen soll. In Kooperation mit dem Stadtarchiv wird die Talentschmiede endlich ins rechte Licht gerückt. „Es wäre traumhaft, wenn auch die Hochschule Rhein-Main mitmachen würde“, wünscht sich Felicitas Reusch. Die Handwerkskammer konnte sie bisher leider noch nicht zu einer Kooperation bewegen.


„Unter südlichem Einfluss“
KUNSTARCHE Ausstellung „Spanien“ mit Werken Wiesbadener Künstler

Wiesbadener Kurier Kultur 10.6.2016
Von Brigitta Lamparth

WIESBADEN. Spanien – für viele nach wie vor ein sonnenverwöhntes Sehnsuchtsland. Auch für Wiesbadener Künstler: Viele suchten und fanden unter dem südlichen Licht ihre speziellen Farben. Eine Auswahl dieser Arbeiten zeigt jetzt die Kunstarche in der aktuellen Schau „Spanien“. Ausgangspunkt war nicht nur der Wunsch nach einer Sommerschau, sondern die Tatsache dass die Kunstarche (beim Stadtarchiv, Im Rad 42) den gesamten Nachlass von KH Buch übernommen hat. Er hatte eine Ferienwohnung Guardamar del Segura – und kehrte zurück mit Inspirationen für verlassene Dörfer und einsame Buchten. Seine oft reliefhaft aufgewühlten Oberflächen entstanden durch Sand- und Textilbeigaben, charakteristisch für die „Gruppe Real“.

Kritik an einer düsteren spanischen Tradition formulierte Felix Hamsvaar in den 80ern mit seinen engagierten Bildern über die Corrida, malerisch exquisit, mit ungewöhnlichen Kompositionen. Spanische Häuserfassaden und Vegetationen sind von Erika Kohlhöfer-Hammesfahr zu sehen. In Tusche bannt István Szász die Costa Brava auf Papier, und Renate von Christens feine Beobachtungen des bäuerlichen Lebens fügen eine naive Note bei. Eine Tonplastik von ihr bezieht sich auf Garcia Lorca.

Eine für sie ganz typische Prozession auf Ibiza ist von Christa Moering zu sehen. Fast karikaturesk eine pfiffige "Frau mit Fächer" von Heiner Rothfuchs.

Wunderbar ausgeruhte Blätter findet man in der Schau auch von Peter Lörincz: Seine Radierungen zum Thema „Goya in Zaragossa“ mit Architekturzitaten sind ungeheuer präzise, geistreich, und technisch bravourös.


Visuelle Poesie mit der Feder
KUNSTARCHE Ausstellung von Gottfried Pott

Rhein-Main-Presse 3. Februar 2016
Von Brigitta Lamparth

Wiesbaden. Malerei und Schrift – in der chinesischen Kulturgibt es für beides den identischen Begriff. Ein Symbol dafür, dass beides die gleichen Wurzeln hat. Kein Wunder also das sich viele der Arbeiten des Wiesbadener Schriftkünstlers Gottfried Pott auf große chinesische Denker beziehen. Auf den Zenmeister Zhao Mengfu beispielsweise  geht dieses Zitat zurück: „Wenn die Dichtung des Herzens die Gefühle nicht mehr ausdrücken fließen sie in der Kalligraphie über und verwandeln sich in Bilder."   Und in Kalligraphie hat Pott diese Worte verwandelt.

70 Arbeiten

Worte, die wie viele der rund siebzig Arbeiten, die zurzeit in der Kunstarche ( Im Rad 42 ) zu sehen sind, von der Ferne oft wie reine Kunst erscheinen und erst in der Nähe ihren reinen Schrift-Sinn erkennen lassen. Die Herangehensweise des 1939 in Lahnstein geborenen Künstlers, der 1959 bis 1963 an der legendären Werkkunstschule studiert hat und nun seit fünfzig Jahren hier lebt, ist ähnlich: Mal ist es der Inhalt, die Bedeutung von Worten, die ihn zu einer bestimmten Umsetzung führen, mal ist es umgekehrt.

Materialgerechtigkeit, das sei etwas, was er für sein lebenslanges Wirken an der Werkkunstschule bereits gelernt habe, sagt Pott, der sein umfangreiches kalligraphisches Wissen von 1988 bis 2003 als Professor an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim und bei Workshops und Fachvorträgen weltweit weitergegeben hat.

Die in der Kunstarche gezeigten Arbeiten stammen aus den Jahren 2014 und 2015 und sind in einem schönen Band des Mainzer Verlags Hermann Schmidt erläutert – Quasi ein Katalog.

Zur sehenswerten Schau. Sie zeigt die ganze Vielfalt der Möglichkeiten des Alphabets – Vielfalt auch ganz wörtlich mit dreidimensionalen Arbeiten, in denen der Raum zwischen den Buchstaben größer wird. Die Kunst mit der Feder – Pott beherrscht sie meisterlich. Auch die Antiqua, die für ihn die Kür des Schreibens bedeutet. Am besten arbeite er, wenn er den Text auswendig könne:“ Sonst ist der Fluss weg“, sagt Pott, der Zitate von Paul Standard ebenso mit seiner Arbeit zur visuellen Poesie formt und auch hinterleuchtet wie die Weisheiten von Nikolaus von Kues. Sein Leitthema aber stammt von Apelles : „Kein Tag ohne Linie."


Mit intimer Kenntnis
Arnold Gorski Vom Schauspieler zum Maler- ein Bilderband "In den Kulissen"

Wiesbadener Tagblatt 16.01.2016 Im Porträt
Von Brigitta Lamparth

WIESBADEN Gemeinsam mit Wolf Spemann und Johannes Ludwig ist Arnold Gorski Gründungsmitglied der "Wiesbadener Kunstarche". Längst ist dieser von Felicitas Reusch betreute Ort neben dem Stadtarchiv, dem Künstler ihre Nachlässe anvertrauen, auch zu einem attraktiven Ausstellungsraum geworden. Dort wird nun auch an diesem Sonntag ein Buch vorgestellt, das die Kunstarche in der Reihe "Kunstgeschichte Wiesbaden" im Reichert Verlag herausgibt.

Der Titel lautet "In den Kulissen" und zu sehen sind darin 57 der aquarellierten Kohlezeichnungen, zu denen Gorski bei vielen Besuchen hinter der Bühne des Theaters inspiriert wurde. Ein Buch, das eng mit der Biografie des Malers verknüpft ist. Was viele nicht wissen: Gorski hatte nach seinem Abschluss an der Werkkunstschule Wiesbaden auch eine Ausbildung als Schauspieler in München absolviert und sein Abschlussexamen vor dem Deutschen Bühnenverein abgelegt. Er war an Bühnen in München und in Düsseldorf engagiert bevor er 1964 zur Malerei zurückkehrte. Seine Bilder haben diese intime Kenntnis vom Warten neben der Bühne auf den großen Auftritt.


Ein Maler, der sich an Literatur orientiert
Kunstarche Retrospektive von Gründungsmitglied Arnold Gorski / Fast surreal wirkende Licht- und Luftwerte

Wiesbadener Kurier 23.11.2015 Kultur
Von Ulrike Brandenburg

WIESBADEN - „Arnold Gorski – Retrospektive“ lautet das schlicht formulierte Motto der aktuellen Ausstellung der Kunstarche. Wer als Hiesiger „Malerei und Zeichnung aus fünf Jahrzehnten“ in solcher Qualität vorzuweisen hat, ist Teil von Wiesbadens Kunstgeschichte. 1955 bis 1959 studierte Gorski an der Werkkunstschule und kam so mit den Grundlagen der unter anderem von Vincent Weber und Oskar Kolb vermittelten Bauhauslehre in Berührung.

Ohne die Farb- und Formgesetze etwa eines Johannes Itten wäre das Gorskische Werk in der Tat nicht denkbar – verstehbar allerdings ist es auch nicht ohne den Aspekt der Literarizität, der allen Gemälden Gorskis, des bildenden Künstlers und ausgebildeten Schauspielers, zugrunde liegt. Die Orientierung am Poetischen ist diesem Maler Grundantrieb, und so haben alle formal ungegenständlichen Bilder einen Naturbezug, der sich im Titel ebenso manifestiert wie in der Form- und Farbgebung, die oft noch verfremdete, sprich ins Geistige gesteigerte Elemente des Landschaftlichen erkennen lässt. „Blätter fallen, fallen wie von weit“ – Rilke verleiht in seinem berühmten Herbstgedicht der Natur Magie; wenn sich im Gorskischen Ölgemälde Goldflocken vor schwarz-grauem Grund ballen, entsteht ein vergleichbarer Effekt.

Gorski bleibt fast immer bei einer Farbentscheidung, einem Grundton, aus dessen konsequenter Abmischung mit der komplementären Farbe dann eine Vielfalt von Grautönen entsteht – diese harmonisieren nicht nur die bildimmanenten farblichen Kontrapositionen, sondern erzeugen auch quasi-naturalistische und damit fast surreal wirkende Licht- und Luftwerte.

Postimpressionistische Pixel

Das amorphe Quadrat ist malerisches Basiselement, das in dem Moment, in dem sich die landschaftliche Anmutung konkretisiert, fast als postimpressionistische Pixel-Einheit benannt werden könnte. De facto ermöglicht diese Grundstruktur die Verdichtung des Gesehenen in allen nur denkbaren farblichen Feinabstufungen. Wie viel stupendes auch handwerkliches Können hinter Arnold Gorskis Kunst steht, wird auch in den großformatigen Bleistiftzeichnungen von fast altmeisterlicher Qualität deutlich. Und auch hier wird der scheinbar offenbare Diskurs unterlaufen. Jenseits von Weltverklärung und Umweltkritik ist es letztlich die Lichtspiegelung im vereisten Asphalt der Landstraße, die den Bildfokus bestimmt und die Bildbedeutung ins Unendliche öffnet. Das ist ganz einfach spannend – wie wunderbar, dass Gorski weiter malt. Die 80 merkt man ihm nicht an.

Nahezu altmeisterlich in ihrer Akuratesse : Auch die großformatigen Bleistiftzeichnungen des 80-jährigen Arnold Gorski sind ganz große Kunst. "Pflaumenblüte" Bleistiftzeichnung, 1975

Arnold Gorski "Blätterfall" Öl auf Leinwand,1998


Werke, die das Leben feiern
Wolf Spemann zeigt Skulpturen, Johannes Ludwig Aquarelle

Wiesbadener Tagblatt 31.07.2015
Von Ulrike Brandenburg

WIESBADEN - In der aktuellen Ausstellung der Wiesbadener Kunstarche werden Werke gezeigt, die das Leben feiern – und auch dann noch in der ästhetischen Balance bleiben, wenn die kritische Botschaft, etwa die Kritik an der Umweltzerstörung, Gegenstand der visuellen Erzählung ist.

Klassische Moderne

Die gezeigten Skulpturen, Kleinplastiken und Objekte hat der Grandseigneur der Wiesbadener Kunstszene, Wolf Spemann, die Aquarelle der nicht minder renommierte Professorenkollege Johannes Ludwig beigetragen. Beide Künstler entstammen einer Generation, die der Formensprache der Klassischen Moderne verpflichtet ist.

Worum aber geht es in dieser Schau? Eigentlich um nichts weniger als um die Werte des Abendlands. Das Formschema der Tunis-Reise, sprich, die kubistische Darstellung der Mittelmeerlandschaft durch Paul Klee und August Macke, nutzt Ludwig zur Entwicklung von sich in virtuos beherrschter Aquarelltechnik entfaltenden Lichtkristallen. Die prismatische Grundstruktur mit der Tendenz zu Abstraktheit und Aussparung erscheint als Abbild des geistigen und des lebensstiftenden Gehalts der Schöpfung. Ist der Kontakt zur Sinnrepräsentanz der Welt, sprich, der Respekt vor der die Einheit des Lebens stiftenden Kraft verloren, so ist diese selbst gefährdet.

Mittelmeer-Optik als konkretes inhaltliches Anliegen: Ludwigs Tunis-Formel symbolisiert die kulturelle Wurzel Europas in Antike und Christentum. Die geometrisierten Binnenstrukturen der lichterfüllten Landschaften verweisen auf die von Euklid bis Leibniz in der Mathematik- und Philosophiegeschichte präsente Monadenlehre von der kleinsten Sinneinheit.

Politischer Aktivist

Die Formensprache der Archaik nutzt Wolf Spemann. In seinen Bronzen erscheinen Gender-Symbole als Garanten einer universellen Balance. Ganz konkret widmet sich Spemann in seinen in erfreulich großer Zahl präsenten Bronzeplastiken zumeist dem Thema des (Welten-)Rads, dessen genderdefinierte, bipolare Kraftpole den Lauf des Lebens garantieren – in konkreter Verantwortung für die Schöpfung.

Vor 10 000 Jahren entstand die erste menschliche Hochkultur, Europa blickt auf 2000 Jahre Kulturgeschichte zurück. Nur 200 Jahre Industriegeschichte veränderten das Antlitz der Welt. Und so ist es nur folgerichtig, dass die aktuelle Ausstellung in der Kunstarche auch den politischen Aktivisten Spemann zeigt, der, gleichsam dadaistisch das Readymade nutzend, gegen Umweltverschmutzung und Atomkraft protestiert. Und gegen den Dauerkonflikt im Nahen Osten, als dessen Symbol Spemann die Christrose aus Stacheldraht erfand.


Werkverzeichnis von Christa Moering in Wiesbaden

Kultur vor Ort 18.04.2015
Von Birgitta Lamparth

WIESBADEN - Fast zehn Jahre hat Petra von Breitenbach an dem 574 Seiten starken Werkkatalog gearbeitet. Aber auch die Künstlerin mit dem profunden Wissen über ihre Freundin Christa Moering erlebte dabei noch Überraschungen: Als eine der beiden Leihgaben des Landesmuseums – „Das Mädchen mit der Zipfelmütze“ aus dem Jahr 1949 – für den Katalog fotografiert wurde, entdeckte man auf der Rückseite noch ein zweites Bild, ein Stillleben. Ähnliches fand man vor Jahren auf der Rückseite von Jawlenskys Gemälde „Nikita“.

ZAHLEN & DATEN
Der Werkkatalog ist zum Subskriptionspreis bis zum 30. April für 69 Euro erhältlich (bei der Kunstarche und im Buchhandel). Danach kostet er 98 Euro. Die Ausstellung dauert bis zum 6. Juni. Zur Finissage liest Iris Atzwanger um 18 Uhr aus den Tagebüchern.

An solchen und anderen Überraschungen im Werk der 2013 gestorbenen Wiesbadener Ehrenbürgerin kann man jetzt teilhaben: Freitagabend wurde der Band „Christa Moering. Ein Leben für die Malerei“ in der Kunstarche (Im Rad 42) vorgestellt. Flankierend dazu ist dort auch eine Ausstellung eröffnet worden, die mit dem Verkauf gestifteter Arbeiten helfen soll, das Werkverzeichnis zu finanzieren. Die Wiesbadener Verlegerin Ursula Reichert hat eine besondere Bindung an das Projekt: Ihre Mutter war die Ärztin Christa Moerings, „sie hat mich als Kind gemalt“. Eines von insgesamt über 1000 Werken, die Christa Moering im Laufe ihres langen Lebens geschaffen hat. Schon 1946 hatte sie ihre erste Ausstellung in Baden-Baden, der unzählige folgen sollten. Dennoch, die 1916 geborene Künstlerin hielt „von ihrer eigenen Kunst nie viel“, so Petra von Breitenbach. Die Grafik-Designerin begann mit dem Projekt schon zu Lebzeiten Moerings, als 2006 aus Anlass einer Ausstellung zum 90. Geburtstag im Stadtmuseum bereits Arbeiten fotografisch erfasst werden sollten. Als dann zur Benennung des „Christa-Moering-Platzes“ im Europaviertel 15 000 Euro „ins Haus flatterten“, war der Grundstock für das Buchprojekt gelegt. Dabei ging Petra von Breitenbach äußerst akribisch vor und listet nun im Werkkatalog, zu dem Reinhard Zimmermann das kenntnisreiche Vorwort geschrieben hat, penibel die Werke auf – auch jene, die sie nach den Aufrufen auch in dieser Zeitung bei 60 Sammlern aus der Region fotografieren durfte. Eine Systematik, die sich nicht immer mit der Christa Moerings deckt: Zu einzelnen Arbeiten schuf die Malerin 20, 30 Jahre später ein ganz ähnliches Motiv. „Vielleicht durch Aufträge veranlasst“, vermutet Petra von Breitenbach hinter diesen Sprüngen im Werk. Eingebettet ist es im Leben der Künstlerin: Fünf Tagebücher, die sie zwischen 1944 und 1956 geschrieben hat, wurden erfasst und vermitteln nun im Katalog auch ein Bild vom Denken der Malerin in einer bewegten Zeit.

In der von Felicitas Reusch klug kuratierten Schau ruhen die Originale in Vitrinen. Insgesamt 27 Arbeiten beleuchten in der Kunstarche Christa Moerings Schaffen: von Landschaften in überraschendem Schwarz-Weiß bis zu den Pastellen in den für sie typischen starken Farbklängen in strömenden Bäumen und fließenden Hügeln. Auch hier gibt es das oft: das (Seelen-)Bild hinter dem Bild.


Kunstarche zeigt die Ausstellung „Die Welt ist Farbe II“

Wiesbadener Tagblatt Kultur vor Ort 18.02.2015 
Von Brigitta Lamparth

WIESBADEN - Was für Farben: Der Besucher der Wiesbadener Kunstarche (Im Rad 42) kann derzeit förmlich eintauchen in leuchtendes Kolorit. Mit dem zweiten Teil des 2014 erstmals mit abstrakten Farbwelten umgesetzten Ausstellungsthemas „Die Welt der Farbe“ liefert die aktuelle Schau jene, die sich noch auf Gegenständliches beziehen. Und sei es auch nur von Ferne.

„Ich nehme den Gegenstand als Mittel zum Zweck, um die Farben sprechen zu lassen“, sagt beispielsweise Bettina Gelhard-Reeh. Sie hat den zweiten Teil der Ausstellung organisiert – und schafft dabei viele Querbezüge: „Ausgehend von Hölzel als Urvater gibt es hier ein enges Geflecht.“ Zahlreiche Schüler-Lehrer-Verhältnisse lassen sich auch in den Arbeiten ablesen, die dennoch autark für sich stehen können. Und: Die meisten der Schüler hatten ein besonderes Faible fürs südliche Licht.

Bettina Gelhard-Reeh hat fünf Jahre in Kalifornien gelebt. Ihre an der Grenze zur Abstraktion stehenden Bilder mit ihren starken, gut ausbalancierten Farben lassen das von Ferne anklingen.

Helmut Bernhards eigenwillige Arbeiten erzählen in ihren an den Formenreichtum südamerikanischer Kulturen erinnernden Chiffren von seinem Leben in Peru. Vincent Weber, für viele der hier repräsentierten Maler eine Vaterfigur, hat sich vorzugsweise von der Sonne Italiens inspirieren lassen. In Uwe Städtlers flächigen, gewagten, dabei traumwandlerisch sicheren Farbklängen kann man das Licht Andalusiens erahnen. Und in den Bildern von Robert Preyer, jenen so delikat und elegant geschichteten Dekors, bei denen man sofort an Matisse denkt, wirken noch seine Impressionen von Griechenland nach.

Was davon in der nächsten Maler-Generation weiter Bestand hat, sieht man exemplarisch an Heidi Bastians neuen Werken: Die Preyer-Schülerin greift auf ihre ganz eigene Weise das Spiel mit dem Vor und Dahinter auf und formuliert daraus einen originären Bildkosmos mit viel räumlicher Tiefe. Als Solitär kommt auch Michael Apitz in diese Runde: Die großformatigen Rhein-Landschaften dieses begabten Malers zählen aber unbedingt dazu – sicher changierend zwischen Durchgestaltung und freiem Spiel der Farbe. Heinz Rudi Müllers fein abgestufte Kompositionen, Brigitte Zanders expressionistisch geprägte Landschaften, Roland Winklers kristalline Landschafts-Architektur – es gibt viel zu entdecken in dieser Schau, mit der die Kunstarche sich einmal mehr als beachtenswerter Ausstellungsort auch über Wiesbaden hinaus empfiehlt. Natürlich dürfen auch Werke der Wiesbadener Ehrenbürgerin Christa Moering hier nicht fehlen. Ihr und ihrem Oeuvre gilt das nächste Augenmerk der Kunstarche: Am 17. April um 19 Uhr wird hier ihr Werkverzeichnis vorgestellt.

Ein Meister der Farbe: Auf Vincent Weber - hier seine Arbeit "Tramonto" -trifft man auf eine oder andere Weise immer wieder in der Schau. Er war auch als Lehrer prägend. Foto: Kunstarche


Anne Esser Gemälde und Willi Schmidt Skulpturen in der Kunstarche

Wiesbadener Kurier 03.02.2015
Von Christine Dressler

WIESBADEN - Mit 88 ist Anne Esser jetzt ein Jahr älter als Willi Schmidt es bei seinem Tod 2011 war. Gerade weil beider Arbeiten unterschiedlicher nicht sein könnten, korrespondieren sie perfekt miteinander. Erstmals belegt das der „Dialog konträrer Welten“ in der Kunstarche mit 26 Gemälden und farbigen Radierungen Essers, vor denen sich 19 Plastiken und Skulpturen Schmidts gruppieren. Natürlich deutlich kleiner als seine Ehrenmale in der weiten Region oder seine Große Liegende auf der Frankfurter Fressgasse entstanden sie zwischen 1976 und 2006.

Lebensbejahend

Sie spiegeln wider, wie der zeitlebens der Gegenständlichkeit verpflichtete Steinbildhauer aus Oberfranken, der an der Frankfurter Städelschule studierte und lehrte, neben Radierungen und Holzschnitten, bis zuletzt lebensbejahend, liebevoll Tiere wie Taube oder Stier und vor allem den Menschen ob als Mann, Frau oder Kind, junges oder älteres Paar und in Rollen wie als Tänzerin, König oder Priester in Stein, Bronze, Ton und Holz immer wieder neu schuf.

Besonders in ihrem Spätwerk blickt die Wiesbadener Malerin, die dem BBK wie der Gruppe 50 angehört und über Jahrzehnte zahllose Schüler in Kursen für verschiedene Bildungsträger unterrichtete, dagegen bereits ins Jenseits. Davon zeugen der „Engel“ von 2005 und die sieben Gemälde im Kabinett, die Esser bis 2012 malte. Lichtdurchflutet und von Blau- und Brauntönen in fein abgestuften Schattierungen dominiert, verschmelzen die Abstraktionen, die horizontal gegliederten Landschaften ähneln, Erde und Himmel.

Zugleich führen Essers zunehmend informelle und lyrisch abstrakte Unikate, die meist ohne Titel Assoziationen freien Raum lassen, im Rundgang durch die Entwicklung der westdeutschen Malerei von 1954 bis in die 2000er Jahre. In Gegensatz und Wechselspiel vereinen ihre in Geistiges und Fantasie aufgelösten Formen und seine in der Farbgebung ebenso sensibel austarierten, gewichtigen und begreifbaren realen Menschen und Tiere die Dualität des irdischen Lebens und dem, was darüber hinaus geht, in ihrer ganzen Vielfalt.

Foto Christine Dressler


Ein Gemälde von Ludwig als Präsent
Kunstarche Einrichtung verkauft Werke

Wiesbadener Kurier Kultur 20.11.2014
Von Ulrike Brandenburg

Wiesbaden. Die Vorweihnachtszeit ist Shoppingtime und bietet damit die Möglichkeit, Geld auch sinnvoll zu investieren, in Kunst zum Beispiel. Eine neue Gelegenheit hierfür hat die Wiesbadener Kunstarche geschaffen. Gegründet, um die Nachlässe der Wiesbadener Künstlerinnen und Künstler zu bewahren, erlaubt die Vereinssatzung auch den Verkauf von Werken – finanziert sich der Verein aus den 102 Mitgliedsbeträgen von 3400 Euro pro Jahr und aus Spenden. Die Stadt Wiesbaden stellt der Kunstarche Räume inklusive der Nebenkosten zur Verfügung. Damit ist der Bedarf nicht gedeckt. Telefon-  und Internetanschluss wollen bezahlt sein. Es fallen Werbekosten an. Transporte müssen organisiert werden. Rahmungen und Restaurierungen wollen durchgeführt sein. Außerdem macht der Verein seine Bestände über Publikationen bekannt. Die Selbstfinanzierung bleibt eine Herausforderung. Zumal der Bestand an Kunstwerken kontinuierlich anwächst. Aktuell hat Johannes Ludwig 40 Gemälde, Aquarelle und Grafiken in den Schutz der Arche gegeben. Ein Teil dieser hochsubtilen Arbeiten kann erworben werden. Ludwigs Ölgemälde sind von hoher handwerklicher und inhaltlicher Qualität. Es fasziniert wie der Künstler die semi-kubistische Landschaftsauffassung eines Paul Klee weiterdenkt, indem er aus der Zusammenführung der Themen von Licht und Geometrie im Prismatischen emotional aufgeladene psychologisch interpretierbare Dynamiken entwickelt. Das zweite größere, in der Ausstellung gezeigte Gemäldekonvolut stammt aus dem Nachlass von K.H.Buch (1901 bis 1988). Buch bevorzugt den an Cézsanne geschulten, graufarbigen Lichtraum, in die Dinge der Welt hineingestellt sind, als seien sie eine jederzeit eine widerruf bare Setzung. Mit der Illustration hat sich Heiner Rothfuchs (1913 – 2000)befasst. Der Charme dieser Arbeiten kann nicht nur erlebt, sondern auch für 70 Euro pro  Zeichnung erworben werden. Dazu kommen die Grafiken von Dieter Kliesch und Peter Lörincz, Aquarelle von Roland Winkler eine Keramikarbeit von Horst Panknin und, last not least, sehr reizende Reiseaquarelle von Christa Moering (1916-2013). Ein vorweihnachtlicher Besuch in der Kunstarche lohnt sich also. Zum Gucken und Genießen allemal, und wer dann noch einkaufen möchte, den erwartet vom Ölgemälde bis zur Skizze wertige Kunst zu freundlichen Preisen.


Große Kunst zum kleinen Preis
Erste Verkaufsausstellung des Vereins „Kunstache Wiesbaden“ / Treffpunkt der Szene

Frankfurter Rundschau 11. Nov. 2014 
Von Arne Löffel

Der gemeinnützige Verein der „Kunstarche Wiesbaden“ hat sich seit der Gründung im November 2012 zum beliebten Treffpunkt der Kunstszene entwickelt Geld und Liebe  wurde in die Räume der Kunstarche investiert. Hier zeigt der Verein in schöner Regelmäßigkeit, welch kreative Kraft in ihr steckt. Heute wie damals.

„Wir führen das Archiv der Wiesbadener Künstlerschaft“, erklärt Felicitas Reusch,  Vorsitzende der 102 Mitglieder starken Kunstarche. Der Verein sammelt die Werke der Wiesbadener Künstler. Das Archiv des Vereins  speist sich laut Reusch oftmals aus Nachlässen. „Wir haben gerade 40 Gemälde, Aquarelle und Grafiken aus dem Nachlass von Johannes Ludwig erhalten“, berichtet die Kunsthistorikerin. Bei der Verkaufsaktion der Kunstarche gibt es einige Bilder zum Schnäppchenpreis.

Der Verein finanziert sich laut Reusch hauptsächlich aus Spenden und Beiträgen von Mitgliedern. „Etwa 3400 Euro pro Jahr kommen von den Mitgliedsbeiträgen“, berichtet sie. Die Stadt Wiesbaden stelle die Räume inklusive der Nebenkosten im Stadtarchiv zur Verfügung. „Telefon und Internet zahlen wir aber selbst“, so Reusch.

Um dem Kulturamt aber nicht noch mehr auf der Etat-Tasche zu liegen, organisiert der Verein nun seine erste Verkaufsausstellung.

„Unsere Vereinssatzung sieht vor, dass wir auch Werke zu marktüblichen Preisen zum Verkauf anbieten“, betont die Vereinsvorsitzende. Im Zuge der ersten Verkaufsausstellung werde einige Werke allerdings zum Schnäppchenpreis angeboten. Die zwei hier abgebildeten Zeichnungen aus der Feder von Heiner Rothfuchs wurden als Illustrationen in Büchern veröffentlicht. 70 Euro kosten sie jedenfalls. Rothfuchs, Buch, Kliesch  hat die Kunstarche im Angebot.

Laut Reusch hätte man diese etwa DIN-A-4 – großen Rothfuchs-Bilder auch teurer verkaufen können. Allerdings hoffe der Vorstand des Vereins im Hinblick auf weitere Verkaufs-Veranstaltungen auf einen gewissen Werbeeffekt. Die Zeichnungen werden mitsamt den Rahmenträgern verkauft und können daheim sofort aufgehängt werden.

Aber nicht nur Werke von Heiner Rothfuchs, sondern auch Arbeiten der bekannten Wiesbadener Künstler K.H. Buch, Dieter Kliesch, Thomas Duttenhoefer und Peter Lörincz, darunter viele Radierungen, werden käuflich erwerbbar sein. Die Einnahmen sollen nach Reusch für Kommunikationsmittel wie Einladungen und Bilderrahmen verwendet werden.


Galerien-Rundgang: Thalhaus und Kunstarche

Rheinmain Presse Kultur vor Ort 10.10.2014
Von Ulrike Brandenburg

WIESBADEN - Keine im Handel verfügbare Malanleitung verzichtet auf das Kapitel der Landschaftsdarstellung – aber ist Landschaftsmalerei tatsächlich ein Synonym für harmlosen Ästhetizismus? Was für Malanfänger gelten mag, gilt für die Profis mitnichten. Welche Fülle an Bedeutung eben das Landschaftssujet aufzunehmen vermag, beweisen aktuell die Schauen im Nerotal und in den Räumen des Stadtarchivs (Kunstarche).

„Zwischen Tag und Traum“ hat Bernd Zeißler seine Ausstellung in der Thalhaus-Galerie genannt. Die Bilder sind farbschön, ihre Motive wirken harmlos. Bei genauerem Hinschauen wird dieser Eindruck zunehmend unhaltbar. Abstrahiert Figürliches presst sich ins klaustrophobe Bildformat, Schiffe scheinen vom Meer erstickt zu werden, Ikarus – so lautet ein Bildtitel – ist quasi omnipräsent. Bernd Zeißler studierte in den 70er Jahren in Erfurt Kunst und Germanistik. Entsprechend kommentiert der Künstler mit seinen Bildern auch Franz Kafka, Hermann Hesse und Christa Wolf. Von der Autorin etwa den Roman „Kein Ort. Nirgends“. Zeißler erfindet für die fiktive Begegnung Heinrich von Kleists mit Karoline von Günderode in Winkel am Rhein ein Gartenidyll von trügerischer Romantik – das übrigens auch an die von Christa Wolf an anderer Stelle beschriebenen grünen Datscha-Inseln auf dem Boden des sozialistischen deutschen Staates erinnert.

Unter anderem politisch geht es auch in der überaus verdienstvollen aktuellen Ausstellung der Kunstarche zu. Die Veranstalter zeigen repräsentative und zumeist historische Positionen der jüngeren Wiesbadener Kunstgeschichte zumeist aus Arche-Besitz. Es begegnen bekannte Namen: Adolf Presber etwa, Erika Kohlhöfer-Hammesfahr, Michael Moering, Albrecht Graupner und KH Buch. Felix Hamsvaars „Liebliches Kochertal oder: The pershing II is coming“ (1985) hat es auf die Einladungskarte geschafft. Eine Sensation ist ein brillant gemaltes Bild mit dem harmlosen Titel „Kirschenpfad Klarenthal“ (1941). Sein Maler, Adolf Noetzel, gehörte dem kommunistischen Widerstand gegen das Naziregime an und starb im Entstehungsjahr des Gemäldes 38-jährig in der Gestapo-Haft. Dass die Welt von einer existenziellen Unordnung ergriffen ist, spürt der Bildbetrachter, noch ohne die Biografie des Künstlers zu kennen.

 Adolf Noetzel, Kirschenpfad Klarenthal (1941)


Wo Farbe den Ton angibt ...
AUSSTELLUNG Kunstarche zeigt Werke der Abstrakt-Meditativen: Von Alo Altripp bis Regina Urbach

Rhein Main Presse 1. August 2014  
Von Ulrike Brandenburg

WIESBADEN - „Die Welt ist Farbe“ – mit diesem Zitat des spätmittelalterlichen Mystikers Nikolaus von Kues will die Wiesbadener Kunstarche, sprich Initiative zur Archivierung von Künstler/innen-Nachlässen, in einer schon jetzt verdienstvollen Ausstellungsreihe auf die in unserer Stadt immer noch lebendigen Maltraditionen aufmerksam machen.

Harmonisch komponiert

Eine zentrale Rolle für die Wiesbadener Kunstgeschichte spielte bekanntlich die historische Wiesbadener Werkkunstschule, nicht zu verwechseln mit der bis heute aktiven Wiesbadener Freien Kunstschule (WfK) – mit der Beschränkung auf das Klangprinzip unterrichtet die WfK eine in der Theorie und Praxis eingegrenzte Variante der Bauhauslehre.

„Die Welt ist Farbe“ also – vor der für 2015 geplanten expressionistischen Variante zeigt die Kunstarche in den Räumen des Stadtarchivs gegenwärtig die Abstrakt-Meditativen. Um es vorwegzusagen – die Schau ist harmonisch durchkomponiert, die Bilder lassen einander genug Raum, und das ist eine Leistung. Leider ist dieser Effekt einer Farbdämpfung, sprich, einer Dominanz abgemischter Blautöne, abgerungen – selten begegnen so dunkle Werke Oskar Kolbs (1923-1998), selten eine so leise Kerstin Jeckel, virtuose Malerin von im Normalfall kaum fassbaren Farbintensitäten. Hätte man nicht besser jedem der drei Räume einen dunkelgrauen Wandanstrich gegönnt und eine Primärfarbe zugewiesen, zwecks Steigerung der sinnlichen Gesamtintensität?

Weniger Erlebnis denn Arbeit also, die zu investieren sich allerdings lohnt. In Otto Ritschls (1885-1976) Spätwerk etwa, blau dominierte Ölbilder von samtiger Anmutung und „langsamer, ‚atmender’ Raumausdehnung“, wie Ingrid Koszinowski einmal schrieb. Ingeborg Finke (1930-2007) ist mit „strukturierten Visionen“ in blau-weißer Tonigkeit zu sehen, der dunkelnde Abendhimmel ist bei Renate Reifert assoziierbar, magisches Grün-Grau unterfängt, dem Bildtitel entsprechend, Regina Urbachs hoch-poetische Bildvision „Lethe“, coelin-blau bestimmt Edgar Diehls raffiniert erfundenes Farbrelief und auch Heiner Thiel steuerte Aluminiumformen im Blauschwung bei.

Allen Malerinnen und Malern ist der ebenso präzise wie fast meditative Umgang mit der Farbe gemein – vermag diese doch ohne weitere gegenständliche Assoziation unsere Psyche direkt zu berühren. Auf diese Weise bleibt sie übrigens auch aktuell. Es zählt nicht, ob wir ein Werk Alo Altripps (1906-1991) oder eine Arbeit Arnold Gorskis bewundern. Oder ob wir den subtilen Farbvarianten eines Johannes Ludwig folgen, spontan wirkenden Farbverläufen, die auf feintonig gemaltem Rastergrund stets als kraftvolle Wiederaufnahmen des lebens-energetischen Flusses erscheinen.

Magische Aquarelle

Das Entstehungsdatum von Oskar Kolbs magischen Aquarellen nimmt den Arbeiten nichts von ihrer Präsenz. Und erst recht nicht den Werken von Winfried Mühlum. Seit über 30 Jahren entwickelt Mühlum seine „transluziden Architekturskulpturen“, ein leiser Avantgardist, der eigentlich eine größere Bühne verdiente.
Katalog (Einführung Eva Reifert, Layout Iris Kacsmarczyk) fünf Euro

 "Sostenuto" heißt dieses Werk von Renate Reifert


Duttenhoefers "Schlachthof"

Rhein Main-Presse 16. Juli 2014 

WIESBADEN - (red). Aus seinen Wiesbadener Jahren hat der Darmstädter Bildhauer Thomas Duttenhoefer die Mappe „Schlachthof“ mit 24 Radierungen, gedruckt von R. Spiegel 1990, am vergangenen Wochenende ins Archiv der Wiesbadener Kunstarche eingebracht.

Als Student der Fachhochschule Wiesbaden hatte Duttenhoefer in seinem Examenssemester 1972 im Schlachthof direkt in die Metallplatten gezeichnet. Mit dem Auge des Bildhauers hatte er die am Haken hängenden Ochsenleiber in stereometrische Formen gebannt. Duttenhoefer ließ in kreisenden Linien dabei ein bildnerisches Gedenken an die frühere Kraft der toten Körper entstehen. Felicitas Reusch, Vorsitzende der Kunstarche, freut sich, dass diese wertvollen Blätter wieder an den Ort ihrer Entstehung nach Wiesbaden zurückkommen.

100. Vereinsmitglied.
Duttenhoefer ist das 100. Mitglied des Vereins und hatte die Arche bereits bei ihrer Gründung mit eigenen Werken bestückt. So kamen von ihm seine Porträtplastiken des Bildhauers Erwin Schutzbach, des Malers Alo Altripp und des Kunsthistorikers Ulrich Gertz ins Archiv.

Ein Tierkörper-Beispiel aus Thomas Duttenhoefers "Schlachthof"-Mappe, die jetzt in der Wiesbadener Kunstarche aufbewahrt wird. Foto Kunstarche


Wiesbadener Kunstarche zeigt Werke der „Gruppe Real“

Rheinmainpresse 16. Januar 2014
Von Birgitta Lamparth

WIESBADEN - Sie wächst und gedeiht: Seit zwei Jahren setzt sich der Verein Kunstarche für die Nachlasspflege Wiesbadener Künstler ein und bringt die Kunst-Geschichte der Stadt zusammen. Seither hat es immer wieder neue Werkkomplexe gegeben, die als Schenkungen in die Sammlung der Kunstarche kamen, die unter einem Dach mit dem Stadtarchiv Im Rad beheimatet ist. So nun auch ein großes Konvolut von Karl Heinz Buch: 150 Gemälde und 200 Grafiken hat sein Stiefsohn Friedrich Helber der Arche überlassen. Weitere Schenkungen kamen von Felix Hammesfahr (Künstlername Hamsvaar). Beide Künstler zählen zur Wiesbadener „Gruppe Real“. Grund genug, in den Räumen von Kunstarche und Stadtarchiv ab Sonntag eine Ausstellung dieser Gruppierung zu zeigen – nach fast 30 Jahren wieder einmal.

Die letzte große Schau fand 1985 im Nassauischen Kunstverein statt. Im Zusammenhang mit einer Ausstellung 1965 im Museum Wiesbaden hatten die Maler KH Buch, Bruno Reinbacher, Franz Theodor Schütt und Erika Kohlhöfer-Hammesfahr die „Gruppe Real“ gegründet – zu einer Zeit also, als abstrakte Malerei international vorherrschte „und in Wiesbaden Ritschl dominierte“, so Felicitas Reusch von der Kunstarche. Für die Mitglieder der Gruppe aber war in der figurativen Malerei noch lange nicht alles gesagt. Retrospektiv betrachtet sollten sie recht behalten.

Die Ausstellung, die am Sonntag um 12 Uhr eröffnet wird, vereint eine Auswahl von 45 Gemälden und Grafiken aus den Jahren 1962 bis 1984, die den Besonderheiten der einzelnen Maler gerecht wird. Da sind die von der Artothek entliehenen Werke von Schütt, mit ihren deutlich an der Zeichnung orientierten Umrissen und fahlen Farben. Die neusachlich wirkenden, mitunter drastisch sozialkritischen Bilder von Hamsvaar oder die vom kleinen Alltag erzählenden Stillleben von Michael Moering, der aus einer Malerfamilie kam und sowohl Neffe von Ernst-Wilhelm Nay als auch von Christa Moering war. Die düsteren Porträts von Bruno Rheinbacher, dessen Sohn Matthias die Ausstellung auch finanziell unterstützt.

Von Erika Kohlhöfer-Hammesfahr sind neben Porträts – wunderbar schrundigen, mit Spitzeneinarbeitungen strukturierte Gesichtslandschaften – auch ihre stillen Architekturbilder zu sehen. Und KH Buch ist eine Entdeckung: Der 1988 in Wiesbaden gestorbene Künstler, der parallel zum Kunststudium auch Jura studiert hatte und bei einem Straßenbahnunglück in Stuttgart schwer verletzt worden war, ist hier mit seinen oft collagierten Menschenbildern vertreten: malerisch exquisiten Akten, bissigen Witwenporträts, Werken mit subtiler Erotik, tragischer Versehrtheit und bornierter Langeweile. Bilder vom Leben mit einer düsteren Vergangenheit und scheinbar ohne Zukunft. Ein großes Werk.


Mein Kulturtipp - Künstlerin mit Kennerblick

Frankfurter Algemeine Sonntags Zeitung 14.07.2013

Wer das Heimat-Gen in seinem Erbgut hat tippt auf die eigene Stadt. In Wiesbaden ist in allen Ausstellungshäusern ein pralles Angebot. Von den vielen Angeboten im Landesmuseum möchte ich nur die von Roman Zieglgänsberger kuratierte Ausstellung Hanna Bekker vom Rath erwähnen, zeigt sie doch wie viel eine einzelne Frau in einem langen Leben für Künstler bewegen kann, wenn sich Leidenschaft mit Klugheit paart und sich zum Kennerblick kaufmännisches Geschick gesellt. Im Bellevuesaal zeigt der derzeitige Stipendiat  aus Baroda (Indien) Lochan Upadhyay sechs Vehikel, die er aus Freude an der Veränderung mit Sperrmüllteilen  aus Wiesbadens Straßen gebaut  hat. Diese delikaten Gestelle ohne Motor  transportieren eine Fülle von Assoziationen vom Morgenland zum Abendland.  Sparsamer Umgang mit Farbe und Bild charakterisiert  den Kommunikationsdesigner Albert Ernst. Das Stadtarchiv zeigt im großen Saal seine scharfsinnige Produktion aus drei Jahrzehnten. „Vor allem Schrift“ heißt diese Ausstellung zur visuellen Stadtgeschichte und ruft in Erinnerung welche Kinos, Kabaretts, Lesungen, und Diskussionsveranstaltungen mit Plakaten beworben wurden. Vom öffentlichen  Raum geht es weiter zum individuellen Künstlerschicksaal Herbert Gelhards im Kabinett der Kunstarche.  24 kleine Blätter zeigen farbige Aktdarstellungen, Sekundenzeichnungen, die es in sich haben. Sein Selbstporträt schaut zurück auf die Stadt, in der er Anwalt und Notar war, bis er sich 1976  entschloss ausschließlich freischaffender Künstler zu sein. Auch diese Ausstellung zeigt ein Werk von über dreißig Jahren nur anhand von Akt-  und Gewandzeichnungen. Intimer geht es nicht!  Wer aber die ganze Stadt im Sonnenlicht liegen sehen möchte, der kann  auf den Schläferskopf wandern und von der Terrasse des neuen Restaurants ins Tal blicken. Ich denke dann nur ‘schade, dass  diese Bürger dort unten noch kein Stadtmuseum haben‘.


Rückkehr nach Wiesbaden
Max Bollwage vertraut der „Kunstarche“ eine Auswahl seiner Grafiken an

01.03.2013 - WIESBADEN
Von Marianne Kreikenbom

 Der Besucherandrang war groß, als am Mittwochabend im Wiesbadener Stadtarchiv die Ausstellung mit Arbeiten des Grafikdesigners Max Bollwage eröffnet wurde. Anlass war die Übergabe einer Auswahl seiner Arbeiten aus den 1950er Jahren an den vor zwei Jahren gegründeten Verein „Kunstarche Wiesbaden“. Der 1927 in Offenburg geborene Künstler war anwesend und hatte es sich auch nicht nehmen lassen, die Einladungskarte höchstpersönlich zu gestalten. Gelernt ist gelernt und das perfekt.

Sinn und Zweck des Vereins Kunstarche bestehe darin, qualitätvolle Werke regionaler Provenienz zu entdecken, zu sichern und zu bewahren und sie in Ausstellungen einem größeren Publikum zu erschließen, erklärte Kulturdezernentin Rose-Lore Scholz. Es handle sich um eine Ausstellung, die sich zwischen Kunst und Stadtgeschichte bewege, darin bestehe ihr besonderer Reiz, meinte Dr. Brigitte Streich vom Stadtarchiv, dem Kooperationspartner der Kunstarche.

Jugend- und Kriegsjahre hatte Max Bollwage in Berlin verbracht. Nach dem Abitur in Hildesheim begann er sein Studium an der dortigen Werkkunstschule und setzte es in Hannover bei Friedrich Heinrichsen und in Wiesbaden bei Johannes Boehland fort. In seiner Einführung in die Ausstellung sprach Professor Reiner Wiesemes von der Hochschule Rhein-Main über die Bedeutung der Werkkunstschulen und skizzierte den Werdegang des leidenschaftlichen Grafikers und Schriftgestalters Bollwage. Er schätze dessen natürliche Souveränität, den Stolz, die Fähigkeit zur Ironie und die Offenheit. Die eigene Begabung als Verpflichtung zu verstehen, sei heutigen Studenten nur noch schwer zu vermitteln, meinte Wiesemes.

Geliebte Vielfalt

Selbst in diesen ausgestellten frühen Arbeiten spiegeln sich neben der Begabung auch die Liebe zur Unabhängigkeit und zur Freiheit des Gestaltens in unterschiedlichen Genres und Materialien. Gezeigt wird die Vielseitigkeit schon des jungen Bollwage, der sich unmittelbar nach seinem Studium im fast unzerstörten Wiesbaden der Wirtschaftswunderjahre seine Auftraggeber sucht und sie zahlreich auch findet. Er gestaltet Faltblätter wie das mit dem Programm der Maifestspiele 1952 und Bücher für den Brockhausverlag, entwirft Plakate und Buchumschläge, arbeitet für namhafte Firmen wie Henkell & Co., für die Musikverlage B. Schott & Söhne in Mainz sowie Breitkopf & Härtel oder Ahn & Simrok in Wiesbaden und für den damals in Wiesbaden neu beheimateten Krausskopf-Verlag aus Berlin.

Seine Plakate haben Witz und Charme. Seine freien und mit leichter Hand gezeichneten Aquarelle illustrieren den Zauber der südlichen Landschaften erster Auslandsreisen. Er habe in seiner Wiesbadener Zeit alles Mögliche gemacht, erklärte Max Bollwage mit besagtem ironischen Unterton und fügte hinzu: „Der Aufwand war gering und noch geringer das Honorar.“

Gestaunt habe sie, wie gepflegt und geordnet ihr Max Bollwage seine Arbeiten für die Kunstarche übergeben habe, alles frisch und gut erhalten in Farbe und Papier, berichtete Felicitas Reusch, die Vorsitzende des Vereins und Organisatorin der Ausstellung.


Spannende Verbindungen - AUSSTELLUNG Kunstarche zeigt Lehrer und Schüler

Wiesbadener Tagblatt, 29.12.2012
Von Birgitta Lamparth

Das ist ein besonderes Merkmal der Kunstarche. Etwas, was so eigentlich nur diese Institution zur Nachlasspflege von Künstlern der Region kann: Ausstellungen präsentieren, in denen neue Schenkungen in große Zusammenhänge gestellt werden. So wie bei der aktuellen: Da wird eine Schenkung in Verbindung mit dem Bildhauer Erwin Schutzbach nicht nur mit weiteren Werken des früheren Lehrers an der Werkkunstschule Wiesbaden zusammen präsentiert, sondern auch mit Arbeiten seiner ehemaligen Schüler Angelika Gassenmaier und Thomas Duttenhoefer.

Duttenhoefer, der den Nachlass Schutzbachs verwaltet, war es, der eine Arbeit an die Institution gegeben hat, die unter einem Dach mit dem Stadtarchiv im Gewerbegebiet „Im Rad“ in den ehemaligen Räumen der Artothek ein eigenes Domizil gefunden hat. Der 1993 gestorbene Schutzbach war ab 1958 Leiter der Bildhauerklasse an der Wiesbadener Werkkunstschule und hat eine ganze Bildhauer-Generation nach ihm geprägt. Duttenhoefer, der seinem Lehrer in besonderem Maße verbunden war, hat ihn in Bronze porträtiert und diesen Kopf aus seinem Privatbesitz der Kunstarche gestiftet.

Daneben sind Terrakotta- und Klinker-Arbeiten Schutzbachs zu sehen, die aus den Jahren 1963 bis 1965 stammen und die ganze Klasse dieses Bildhauers zeigen. Entfernt an Häuser und intensiver an Felswände erinnernd, bieten sie innerhalb ihrer Fassaden eine spannende Dreidimensionalität: Einbuchtungen wie Fenster und Vorsprünge wie Balkone lassen architektonische Assoziationen zu und sind doch ganz eigenständig. Ritzungen und Schrunden geben der Oberfläche malerische Textur. Und wenn sich plötzlich bauchige Vorformen finden, dann gibt es auch wieder einen Zusammenhang zum von der vom Menschen ausgehenden Grundform, die Schutzbach seinerzeit bei seinen eigenen Lehrern vorfand.

Seine beiden Schüler Duttenhoefer und Angelika Gassenmaier - später Angeli K. genannt - haben diese Einflüsse auf ihre eigenen Weise weitergeführt. Angeli K. hat sich insbesondere in ihren Terrakotta-Werken mit Architektur auseinandergesetzt. Jörg Gassenmaier hat der Kunstarche eine zweifarbige Tonplastik seiner 2009 gestorbenen Frau gestiftet. Und Thomas Duttenhoefer, der heute in Darmstadt lebt und arbeitet, hat der Kunstarche ebenfalls weitere Arbeiten gespendet, darunter auch ein Porträt von Ulrich Gertz, dem großen früheren Professor für Kunstgeschichte. Eine interessante Schau also, der am 27. Febraur (Eröffnung: 18 Uhr) mit der Einzelausstellung zu Max Bollwage die nächste folgt.


Reise in die Geschichte
Seit drei Monaten wird Im Rad Kunst aus der Region aufbewahrt und erschlossen

Wiesbadener Tagblatt Kultur 11.09.2012
Von Birgitta Lamparth

Er gleicht einem Gang durch die hiesige Kunstgeschichte, der Besuch im Domizil des Vereins „Kunstarche“. Seit genau drei Monaten beherbergen die ehemaligen Räume der Artothek (Im Rad 42) nun die Bilder und Bücher.

Gerade eben hat das Ehepaar Gorsky zwei Werke des Wiesbadener Malers Oskar Kolb als Archivgabe gespendet. Und der Bildhauer Wolf Spemann - wie Arnold Gorsky Gründungsmitglied - hat jetzt Industriezeichnungen aus dem Jahr 1954 eingebracht, aus der Klasse von Alo Altripp. Genau das ist typisch für die Kunstarche: Sie ist von Künstlern für Künstler gegründet. Und für alle, die sich für die Kunstgeschichte Wiesbadens des 20. und 21. Jahrhunderts interessieren.

„Kunstgeschichte ist auch ein Kapitel der Stadtgeschichte“, so denn auch Felicitas Reusch, erste Vorsitzende des Vereins. Die Kunstarche schließe hier eine Lücke - denn bisher gab es keine kunsthistorische Anlaufstelle in Wiesbaden. Mit der Übernahme des Museums, das bis dato auch städtische Galerie war, durch das Land Hessen, habe eine sich langsam steigernde Entfernung der in der Stadt tätigen Kunsthistoriker von der Wiesbadener Künstlerschaft begonnen, so Reusch. Die Kunstarche soll, auch retrospektiv, dem wieder entgegenwirken.

Zum Beispiel durch eine Bibliothek, in der die Kataloge der Wiesbadener Künstler und Wiesbadener Ausstellungsorte dokumentiert sind. Ihr Aufruf daher: „Wer Bücher über Wiesbadener Künstler hat, kann sie bei uns oder beim benachbarten Stadtarchiv für uns abgeben.“ Von solchen Spenden lebe die Kunstarche.

Das älteste Buch, das derzeit in ihrem Besitz ist: Der Katalog „30 deutsche Künstler“ aus dem Jahr 1929 zu einer damaligen Museumsausstellung. Solche Spenden kommen auch der Wissenschaft wieder zugute: Wer eine Dissertation schreiben will, findet hier Informationen - und Querverbindungen zu Arbeiten, die zum Bestand der Kunstarche zählen. Mittlerweile zählen 43 Mitglieder dazu, und auch da zeigen sich die Vernetzungen: Zweite Vorsitzende ist Renate Reifert, Vorsitzende des Berufsverbandes Bildender Künstler Wiesbaden, und Hauptsponsor der Kunstarche ist die IG der Wiesbadener Galerien. Die Stadt unterstützt den Verein mit der Übernahme der monatlichen Miete und einer Starthilfe von 7000 Euro. „Wir sind auf Spenden angewiesen“, so Felicitas Reusch.

Geplant sind weitere Ausstellungen. Die nächste ist im Herbst Max Bollwage gewidmet, der an der Werkkunstschule studiert hat. Über die ersten fünf Jahre dieser Institution forscht zur Zeit Professor Reiner Wiesemes von der Fachhochschule Rhein-Main - auch bei der Kunstarche. Eine von vielen Vernetzungen...


Geordnete Verhältnisse - Verein Kunstarche nimmt seine Arbeit in neuem Domizil auf

Wiesbadener Tagblatt Kultur 12.6.2012
Von Marianne Kreikenbom

Deutlich mehr Gäste als erwartet waren der Einladung des Vereins Kunstarche gefolgt und zur offiziellen Eröffnung seiner Räume und Tätigkeit ins Haus des Stadtarchivs gekommen. Nach Auszug der Artothek ist die Kunstarche nun Im Rad 42 untergebracht.

Ziel und Zweck des Vereins ist die Aufnahme von Künstlernachlässen. Den Sammlungsschwerpunkt bildet die Kunst aus Wiesbaden nach 1945. Entdecken, bewahren und erforschen - das sind die Aufgaben des im Oktober 2011 gegründeten Vereins, dessen Initiatoren die Künstler Wolf Spemann, Johannes Ludwig und Arnold Gorski sind. „Wir haben es geschafft, wir können beginnen“, jubelte Felicitas Reusch, Gründungsmitglied und Erste Vorsitzende des Kunstarche-Vereins.

„Nächste Woche kaufen wir einen PC, und dann geht’s schon los mit der Inventarisierung des Heiner-Rothfuchs-Nachlasses.“ Der ist umfangreich und ein Geschenk vom Sohn des Malers, Illustrators und Gebrauchsgrafikers. Der gebürtige Thüringer Heiner Rothfuchs (1913-2000) lebte nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft ab 1946 in Wiesbaden, wohin seine Familie übergesiedelt war. Er arbeitete als Zeichenlehrer an der Gewerbeschule, später als Leiter der Fachklasse für Illustration und Wissenschaftliche Grafik an der Werkkunstschule und ab 1970 als Dozent an der Wiesbadener Fachhochschule. In den 1980er Jahren illustrierte Rothfuchs sämtliche vom Bertelsmann-Verlag herausgegebenen Karl-May-Bände.

Für die Eröffnungsveranstaltung hatte Felicitas Reusch eine kleine Ausstellung seiner vielfältigen Arbeiten zusammengestellt: Wiesbadener Plakate aus den 50er Jahren und wissenschaftlich exakte Zeichnungen von Schmetterlingen und Pflanzen.

Der in Berlin geborene Maler Michael Moering (1942-1986) war Mitglied der Wiesbadener „Gruppe 50“ sowie der „Gruppe Real“ und im Zeichnen ein Schüler von Heiner Rothfuchs. Dr. Renate Moering überließ der Kunstarche zwei Bilder aus dem Nachlass ihres Mannes: „Selbstbildnis mit blauem Hut“ und „Prozession auf Ibiza“. Von Doris und Wolf Spemann erhielt der Verein eine Arbeit des einst bei Kunstkritik und Publikum beliebten Wiesbadener Malers Hans Wagner (1902-1980).

In Sachen Künstler, Werkkunstschule und Kunstvereine klafften in Wiesbaden schmerzliche Überlieferungslücken, stellte die Leiterin des Stadtarchivs Dr. Brigitte Streich fest und verspricht sich eine fruchtbare Zusammenarbeit mit den neuen Nachbarn. Dr. Hans-Jörg Czech, Direktor des Stadtmuseums und als solcher Mitglied im Arche-Vorstand, erinnerte an die besondere Bedeutung von Kunstwerken als Spiegelbilder ihrer Zeit.

Felicitas Reusch mit einem Plakat von Heiner Rothfuchs zum Maskenball im Kurhaus 1953 „Mit Carmen zum Mittelmeer“.    Foto: wita/Uwe Stotz


Spende für die Wiesbadener Kunstarche
Verein kümmert sich um Nachlässe / Nun Geld für die Basisausstattung

Wiesbadener Tagblatt Kultur 19.05.2012
Von Ulrike Brandenburg


Der Scheck ist überreicht und die Freude groß. Denn mit den 3500 Euro, die der Sprecher des Interessenverbandes der Wiesbadener Galerien, Erhard Witzel, am Freitag Felicitas Reusch, der ersten Vorsitzenden des Vereins Kunstarche, überreichte, können ein Computer und eine Fotoausrüstung angeschafft werden und damit die Basisausstattung für die anstehende Archivierung und Aufarbeitung von Künstlernachlässen in den neu übernommenen Räumen im „Haus des Stadtarchivs“.

20 Prädikatsweingüter haben in der Kurzen Nacht der Galerien und Museen in Wiesbaden am 24. März ihre Weine gesponsert - für einen Euro pro Glas wurden sie verkauft. Knapp 3000 Euro kamen so zusammen, die Interessengemeinschaft der Wiesbadener Galerien rundete auf 3500 Euro auf. Zusammen mit den Mitgliedsbeiträgen von jeweils 50 Euro jährlich und den von der Stadt zugesagten so genannten Tronc-Mitteln, den Überschüssen der Wiesbadener Spielbank, wird sich der Verein Kunstarche also über 12 000 Euro an Zuwendungen freuen können - Geld, das den anspruchsvollen Zielen der Arche entgegenkommt, die Gründungsmitglied Johannes Ludwig übrigens im Herbst mit einem Sonderverkauf seiner Grafiken im Pressehaus aufstockend unterstützen wird.

 Der Zweck des jungen Vereins besteht darin, Künstlernachlässe, Kunstgegenstände, Skizzen- und Tagebücher, Autographen, Akten, Fotos, Archive und andere vergleichbare Materialien aufzunehmen und zu betreuen, über eigene Ausstellungen und Publikationen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und für externe Forschungen und Publikationen zur Verfügung zu stellen. Anfragen an die Stadt Wiesbaden, etwa von im Ausland lebenden Nachfahren hiesiger Künstler, konnten in der Vergangenheit nicht ausführlich genug beantwortet werden, weiß Gründungsmitglied Wolf Spemann. „Deswegen werden wir dokumentieren, was wir nicht langfristig in die Arche aufnehmen können, etwa auch, weil es von der Jury abgelehnt wurde“, so Spemann.

 Mit der Umsetzung seiner Vorhaben steht der junge, im Oktober 2011 gegründete und eingetragene Verein allerdings noch am Anfang. Mit der aktuellen Übernahme des Nachlasses von Heiner Rothfuchs (1913-2000), dem bekannten Wiesbadener Künstler und Gebrauchsgrafiker, gibt es nun eine neue Herausforderung. Es wird eine Weile dauern, bis „der gigantische, auch Skizzenbücher, Tagebücher und Korrespondenzen umfassende Nachlass“ aufgearbeitet sein wird, so Felicitas Reusch, die sich eine diesbezügliche Zusammenarbeit mit der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität wünscht. Vor der wissenschaftlichen Durchsicht aber steht die Konservierung, die dank der neuen Räume im Rad 42 nun begonnen werden kann. „Wir können bei der Inventarisierung und Restaurierung beraten“, so Hans-Jörg Czech, Direktor des Stadtmuseums und von Amts wegen als Vertreter der Stadt Vorstandsmitglied der Arche. „Das Stadtmuseum hat ja einen anderen Sammlungsschwerpunkt, sodass die Kunstarche hier einen wertvollen, ergänzenden Beitrag leistet.“

Erhard Witzel übergibt in Anwesenheit von Kulturdezernentin Roselore Scholz und Vereinsmitgliedern den Scheck an Felicitas Reusch vom Verein Kunstarche Wiesbaden. Foto: wita/Paul Müller


Unter einem schützenden Bogen AUSSTELLUNG
Das Stadtmuseum zeigt Schau über die Wiesbadener Kunstarche

Wiesbadener Tagblatt - Kultur 17. Januar 2012
Von Birgitta Lamparth

Sie lagen buchstäblich schon im Müll. In einem alten Agfa-Karton wurden die Fotografien von Wolfgang Ost entsorgt. Das frühere Mitglied der Gruppe 50 war gestorben. Gertraud Hasselbach hatte davon gehört - und rettete die wunderbaren Fotografien vor einem traurigen Schicksal. Jetzt hängen sie in der Ausstellung, die gestern Abend im „Schaufenster Stadtmuseum“ eröffnet wurde und sich dem Verein „Kunstarche“ widmet.

Retten und Bewahren - das ist die Aufgabe des Vereins. Er wurde von Künstlern gegründet, damit genau das nicht passiert: Dass ein Lebenswerk nach dem Tod in alle Winde verstreut wird oder wie bei Wolfgang Ost noch Schlimmeres droht. „Sie arbeiten ganz anders im Alter, wenn Sie wissen, dass Ihre Arbeit in gute Hände kommt“, sagt Arnold Gorski. Er hat die Kunstarche gemeinsam mit seinem Malerkollegen Johannes Ludwig und dem Bildhauer Wolf Spemann ins Leben gerufen. Vorläufer dazu gab es, auch das dokumentiert die Schau, schon in Darmstadt oder in Berlin. Hier war es der in Schlangenbad lebende Kunstprofessor Ludwig, der sich Ende der 90er Jahre mit der Gründung einer Nachlassverwaltung auch anderer Künstler befasst hatte. Seine Idee fiel auch bei einer Versammlung von Künstlern über 60 vor zwei Jahren im Kunsthaus auf fruchtbaren Boden.

Die Kunstarche sammelt seither Arbeiten aus Nachlässen von Künstlern, die im Umfeld Wiesbadens gelebt haben. Nach dem Umzug der Artothek in das neue Gebäude der Kunsthalle auf dem Schulberg hat die Stadt der Kunstarche dafür den Raum neben dem Stadtarchiv im Gewerbegebiet Im Rad zur Verfügung gestellt. „Wenn wir aber noch fünf, sechs weitere Nachlässe aufnehmen, dann ist der Raum voll“, sagt Arnold Gorski. Das sei also ein Provisorium, „aber es ist ein Anfang“.

Und den beleuchtet die Ausstellung auch im übertragenen Sinne: Nach der Idee von Hans-Jörg Czech, Direktor des Stadtmuseums, wird gleichzeitig an die Künstlervereinigungen erinnert, die seit 1945 in Wiesbaden entstanden sind. Und das sind nicht wenige: 1948 der Künstlerbund, 1950 die Gruppe 50, 1951 der Künstlerkreis um Adolf Presber, 1955 der Berufsverband Bildender Künstler und 1965 die Gruppe Real um Felix Hammesfahr. Eine schöne Idee ist die besondere Ausstellungsarchitektur. „Wir wollen bei unseren Ausstellungen den Raum zum Erzählen bringen“, so Dr. Torben Giese vom Stadtmuseum. Und er erzählt: Mit Kunst an Gitterwänden von der Archivierung, mit dokumentarischen Texten auf gebogenen Holzwänden vom Bau einer Arche. Und in der Mitte eines Raumes wurde sogar ein richtiger Kunstarche-Arbeitsplatz eingerichtet.

Daran freilich mangele es in der Realität noch, so Arnold Gorski: „Uns fehlen finanzielle Grundlagen - wir hoffen auf Sponsoren.“ Die könnten sich in der Ausstellung auch von der Qualität der Werke überzeugen, die es für die Stadt und die Nachwelt zu erhalten gilt. 

Manche Arbeiten, die jetzt hier hängen, seien Schenkungen, einiges auch Leihgaben, berichtet Felicitas Reusch, Vorsitzende des Vereins Kunstarche. Zu sehen sind ausschließlich Werke von verstorbenen Künstlern, und dabei trifft man auf viele bekannte Namen: Von Alo Altripp über Vincent Weber bis zu Oskar Kolb und Franz Theodor Schütt. Auch zwei Arbeiten von Renate von Christen sind zu sehen, die erst vor wenigen Wochen gestorben ist. Und Plastiken von Horst Panknien - auch sie wären fast im Müll gelandet. Aber nicht ohne Grund hat Wolf Spemann für die Kunstarche ein symbolisches Signet entwickelt: eine Arche, mit einem schützenden Bogen darüber.

Felicitas Reusch, Vorsitzende des Vereins Kunstarche, und Gründungsmitglied Arnold Gorski in der Ausstellung, die auch von der Architektur her das Thema Arche und Depot betont. Foto: wita/Paul Müller